Leitsatz
1. Ist Art. 10 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG dahin gehend auszulegen, dass dessen Voraussetzungen nur dann erfüllt sind, wenn die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, oder kann die Regelung unter Berücksichtigung von Art. 10 Abs. 6 Richtlinie 2008/118/EG auch auf Fälle angewendet werden, bei denen nur eine Teilmenge der unter Steueraussetzung beförderten verbrauchsteuerpflichtigen Waren nicht am Bestimmungsort eintrifft?
2. Ist Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG dahin gehend auszulegen, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung erst dann endet, wenn der Empfänger das bei ihm eingetroffene Transportmittel vollständig entladen hat, sodass die Feststellung einer Fehlmenge während des Entladevorgangs noch während der Beförderung erfolgt?
3. Steht Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Buchstabe a Richtlinie 2008/118/EG einer nationalen Vorschrift entgegen, nach der die Erhebungskompetenz des Bestimmungsmitgliedstaats (neben dem Ausschluss der in Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG geregelten Fälle) allein von der Feststellung des Eintritts einer Unregelmäßigkeit und der Unmöglichkeit der Ermittlung des Orts, an dem die Unregelmäßigkeit begangen worden ist, abhängig gemacht wird, oder ist zusätzlich die Feststellung erforderlich, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch ihre Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind?
4. Ist Art. 7 Abs. 2 Buchstabe a Richtlinie 2008/118/EG dahin gehend auszulegen, dass bei der Feststellung einer Unregelmäßigkeit nach Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG eine Überführung der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten und am Bestimmungsort nicht eingetroffenen verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr in sämtlichen Fällen anzunehmen ist, in denen der in Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG vorgesehene Nachweis der vollständigen Zerstörung oder des unwiederbringlichen Verlustes der festgestellten Fehlmenge nicht erbracht werden kann?
Normenkette
§ 14 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 6, § 11 Abs. 4 EnergieStG, Art. 7 Abs. 2, Art. 10 Abs. 2, Abs. 4, Abs. 6, Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG
Sachverhalt
Die Klägerin versandte Gasöl unter Verwendung eines elektronischen Verwaltungsdokuments im innergemeinschaftlichen Steueraussetzungsverfahren aus einem in den Niederlanden gelegenen Steuerlager an ein in Deutschland gelegenes Steuerlager. Nach Ankunft des Schiffs wurde das Gasöl in einen Tank des deutschen Steuerlagers gepumpt. Dabei wurde eine gegenüber den Angaben im elektronischen Verwaltungsdokument geringere Menge festgestellt. Das HZA setzte gegenüber der Klägerin die auf diese Fehlmenge entfallende Energiesteuer fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, die Energiesteuer sei aufgrund einer im Steuergebiet eingetretenen Unregelmäßigkeit entstanden, weshalb der angefochtene Steuerbescheid rechtmäßig sei. Der streitgegenständliche Teil der Sendung sei eine Fehlmenge, die auf eine Unregelmäßigkeit zurückzuführen sei, denn hinsichtlich eines Teils der Beförderungsmenge sei das Steueraussetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß beendet worden (FG Hamburg, Urteil vom 13.6.2013, 4 K 80/12, Haufe-Index 5337182).
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH eine Vorabentscheidung des EuGH erbeten.
Hinweis
Werden aus einem anderen Mitgliedstaat Energieerzeugnisse (hier: Mineralöl) im Steueraussetzungsverfahren nach Deutschland befördert und wird bei der Ankunft und Übernahme der Lieferung eine von der Angabe im elektronischen Verwaltungsdokument abweichende Menge (Fehlmenge), nicht aber deren Ursache festgestellt, scheint die Rechtslage nach deutschem Recht ziemlich klar zu sein:
Da ein Teil der Beförderung nicht ordnungsgemäß beendet wurde und sich ein Fall höherer Gewalt (§ 8 Abs. 1a EnergieStG) nicht feststellen lässt, liegt nach § 14 Abs. 1 und 2 EnergieStG eine Unregelmäßigkeit vor, die zur Entstehung der Steuer führt. Steuerschuldner ist der Versender (§ 14 Abs. 6 EnergieStG). Dass die Abgabe aus dem Transportfahrzeug in das Steuerlager des Empfängers noch zur Beförderung gehört, erscheint in Anbetracht des § 11 Abs. 4 EnergieStG nicht zweifelhaft. Die Unregelmäßigkeit wird in solchen Fällen also i.S.d. § 14 Abs. 3 EnergieStG"während der Beförderung unter Steueraussetzung" festgestellt, ohne dass sich ermitteln lässt, wo sie eingetreten ist, sodass die Steuer von der deutschen Zollverwaltung zu erheben ist.
Prüft man, ob diese nationalen Regelungen mit der Richtlinie 2008/118/EG im Einklang stehen, stößt man auf Probleme, weil die Richtlinien-Vorschriften nicht klar und eindeutig sind.
Dass die Übernahme der Lieferung durch den Empfänger noch zur Beförderung unter Steueraussetzung gehört, ließe sich wohl auch nach Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG bejahen. Sicherheitshalber kann man...