Leitsatz
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Muss ein Steuerpflichtiger, der einen Investitionsgegenstand im Hinblick auf eine steuerpflichtige Verwendung mit Recht auf Vorsteuerabzug herstellt (hier: Errichtung eines Gebäudes zum Betrieb einer Cafeteria), den Vorsteuerabzug nach Art. 185 Abs. 1 und Art. 187 MwStSystRL berichtigen, wenn er die zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsatztätigkeit (hier: Betrieb der Cafeteria) einstellt und der Investitionsgegenstand im Umfang der zuvor steuerpflichtigen Verwendung nunmehr ungenutzt bleibt?
Normenkette
§ 15a UStG, Art. 185, Art. 187 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt als Organträger einer GmbH steuerfrei ein Alten- und Pflegeheim. Im Jahr 2003 errichtete die GmbH in einem Anbau eine Cafeteria, die für Besucher durch einen Außeneingang und für Heimbewohner durch den Speisesaal des Pflegeheims zugänglich war.
In der Cafeteria wurden keine getrennten Aufzeichnungen geführt, da die Heimbewohner die Cafeteria überhaupt nicht frequentierten. Der weitaus größte Teil war körperlich so eingeschränkt, dass an einen Besuch der Cafeteria nicht zu denken war. Besuch von Verwandten, Freunden und Bekannten erhielten nur die wenigsten. Diese blieben dann in einem neu angebauten Speisesaal, der auch als Aufenthaltsraum diente und in dem es kostenlos Kaffee und teilweise Kuchen gab. Die Cafeteria war daher nur für auswärtige Gäste gedacht gewesen, die möglichst nicht neben Heimbewohnern "in Pantoffeln und Bademantel" sitzen sollten.
Trotzdem vermutete das FA eine gewisse Mitnutzung durch die Heimbewohner und ihre Besucher. Aufgrund einer tatsächlichen Verständigung wurde von einer steuerfreien Nutzung der Cafeteria zu 10 % ausgegangen. Dies führte zu einer Vorsteuerberichtigung. Im Anschluss an die Einstellung des Cafeteria-Betriebs ging das FA von einer weitergehenden, nunmehr vollständigen Vorsteuerberichtigung aus. Das FG bestätigte dies (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.6.2017, 3 K 1111/16, Haufe-Index 11427901, EFG 2018, 338).
Entscheidung
Der BFH hat Zweifel, ob bei einem erfolglosen Unternehmer, der trotz Erfolglosigkeit aus seinen früheren Leistungsbezügen zum Vorsteuerabzug berechtigt bleibt, eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen ist, die den Vorsteuerabzug zeitversetzt entfallen lässt. Er hat daher ein Vorabentscheidungsersuchen eingeleitet und den EuGH um Beantwortung der im Leitsatz bezeichneten Frage gebeten.
Hinweis
1. Entgegen einer früheren, heute fast schon steinzeitlich anmutenden BFH-Rechtsprechung gehen EuGH – und dem folgend auch der BFH – in nunmehr ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auch der erfolglose Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn diese Berichtigung im Erfolgsfalle bestanden hätte. Dies betrifft insbesondere Unternehmer, die ohne Schaffung von Wirtschaftsgütern bereits in der Planungsphase scheitern (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 28.2.2018, C-672/16, Imofloresmira – Investimentos Imobiliários,BFH/NV 2018, 590, Rz. 37, EU:C:2018:134). In diesem Sinne ist die Umsatzsteuer zu einer sog. Absichtsbesteuerung übergegangen.
2. Schwieriger sind Fallgestaltungen, bei denen der Unternehmer erst nach der Schaffung von Wirtschaftsgütern erfolglos wird. Es kann sich dann die Frage nach einer Vorsteuerberichtigung stellen,
a) Geklärt ist insoweit, dass ein erfolgloser Unternehmer nicht zur Vorsteuerberichtigung verpflichtet ist, wenn er nach einer erstmaligen Inbetriebnahme erfolglos wird, den mit Vorsteuerabzug erworbenen oder hergestellten Gegenstand aber weiter für eine Verwendung mit Abzugsrecht (ohne Erfolg) bereithält. So ist es z.B., wenn ein neu errichtetes Gebäude nach einer erstmaligen steuerpflichtigen Verwendung leer steht, aber weiterhin für eine steuerpflichtige Vermietung bereitgehalten wird (EuGH, Urteil vom 28.2.2018, C-672/16, a.a.o., Rz. 53).
b) Nicht geklärt ist demgegenüber, ob es zu einer Vorsteuerberichtigung dann kommt, wenn der Unternehmer aufgrund seiner Erfolglosigkeit seinen Unternehmensbetrieb einstellt und für das Wirtschaftsgut keinerlei Verwendungsabsicht mehr besteht.
Ginge man hier von einer Pflicht zur Vornahme einer Vorsteuerberichtigung aus, käme es zu einer Korrektur des Vorsteuerabzugs, die mit der Gewährung des Vorsteuerabzugs nach Maßgabe der Verwendungsabsicht eigentlich nicht vereinbar ist. Hierüber soll nunmehr der EuGH entscheiden.
3. Verneint man die Pflicht zur Vorsteuerberichtigung, dürfte auch eine Entnahmebesteuerung, die man eventuell mit einer Nichtverwendung begründen könnte, ausscheiden.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 27.3.2019 – V R 61/17