Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Steht Art. 5 der Richtlinie 2005/36/EG einer Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit für den Fall entgegen, dass eine nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründete Steuerberatungsgesellschaft im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung, in dem die steuerberatende Tätigkeit nicht reglementiert ist, eine Steuererklärung für einen Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat erstellt und an die Finanzbehörde übermittelt, und in dem anderen Mitgliedstaat nationale Vorschriften vorsehen, dass eine Steuerberatungsgesellschaft für die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen einer Anerkennung bedarf und von Steuerberatern verantwortlich geführt werden muss?
2. Kann sich eine Steuerberatungsgesellschaft unter den in der Frage zu 1. genannten Umständen mit Erfolg auf Art. 16 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123/EG berufen, und zwar unabhängig davon, in welchem der beiden Mitgliedstaaten sie die Dienstleistung erbringt?
3. Ist Art. 56 AEUV dahin auszulegen, dass er unter den in der Frage zu 1. genannten Umständen einer Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch im Mitgliedstaat des Leistungsempfängers geltende Vorschriften entgegensteht, wenn die Steuerberatungsgesellschaft nicht im Mitgliedstaat des Leistungsempfängers niedergelassen ist?
Normenkette
Art. 1, Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Richtlinie 2005/36/EG, Art. 16, Art. 17 Nr. 6 Richtlinie 2006/123/EG, Art. 54, Art. 56, Art. 57, Art. 62 AEUV, § 2, § 3, § 3a, § 32, § 33, § 35, § 49 StBerG, § 80 Abs. 5 AO
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts mit Sitz in Großbritannien und Niederlassungen in den Niederlanden und Belgien; Gegenstand des Unternehmens ist u.a. die Steuerberatung. Gesellschafter und Geschäftsführer sind der in Deutschland ansässige S und der in Belgien ansässige Y, dessen vormalige Bestellung zum Steuerberater in Deutschland im Jahr 2000 widerrufen wurde. Die in Deutschland nicht als Steuerberatungsgesellschaft (§§ 32 Abs. 3, 49 ff. StBerG) anerkannte Klägerin berät mehrere in Deutschland ansässige Mandanten in steuerlichen Angelegenheiten und tritt für diese in steuerlichen Verwaltungsverfahren auf. Für Postsendungen benannte die Klägerin als Zustellungsbeauftragte eine Firma für Büroservice mit Sitz in Deutschland.
Die Klägerin wirkte bei der Anfertigung der Umsatzsteuererklärung der in Deutschland niedergelassenen C-Ltd. für 2010 mit. Das FA wies die Klägerin als Bevollmächtigte der C-Ltd. für das Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren des Kalenderjahres 2010 nach § 80 Abs. 5 AO zurück.
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG verneinte die Befugnis der Klägerin zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen. Auch die Voraussetzungen für eine vorübergehende und gelegentliche Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3a StBerG lägen nicht vor (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.7.2012, 6 K 152/12, Haufe-Index 3441759, EFG 2012, 2174).
Entscheidung
Der BFH hat die bezeichneten Fragen dem EuGH vorgelegt und das Revisionsverfahren bis zum Ergehen dieser Entscheidung ausgesetzt.
Hinweis
Die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen im Inland solcher Personen oder Gesellschaften, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassen sind, berührt das sensible Feld der unionsrechtlich geschützten Dienstleistungsfreiheit. Der Gesetzgeber hat insbesondere mit der Einführung des § 3a StBerG den unionsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen wollen. Nach bisheriger Lesart ergibt sich allerdings aus dieser Regelung keine umfassende und uneingeschränkte Tätigkeitsbefugnis steuerberatender ausländischer Dienstleister auf dem Gebiet der inländischen Hilfeleistung in Steuersachen. Eine Steuerberatungsgesellschaft bedarf gem. § 32 Abs. 3 StBerG der Anerkennung; sie setzt den Nachweis voraus, dass die Gesellschaft von Steuerberatern geführt wird.
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, hat – so im Streitfall – die Finanzbehörde einen ausländischen Dienstleister wegen unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen zurückzuweisen (§ 80 Abs. 5 AO; vgl. auch § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO).
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft im Wesentlichen die Vereinbarkeit der Regelungen des StBerG, nach denen Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig nur von hierzu befugten Personen und Vereinigungen ausgeübt werden darf und eine Steuerberatungsgesellschaft für diese Befugnis der Anerkennung bedarf, mit Unionsrecht. Sachverhaltsmäßig beschränkt sich die Vorlage auf den Fall, dass die in einem Mitgliedstaat (hier: Großbritannien) gegründete Steuerberatungsgesellschaft eine Steuererklärung für einen Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) erstellt und der Finanzbehörde übermittelt.
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Berührt sein kann die Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf die unionsrechtlichen Regelungen, diedie Ausübung reglementierter Berufe in einem anderen Mitgliedstaat betreffen (Richtlinie 2005/36/EG). Dabei ist allerdings fraglich, ob diese Regelun... |