Leitsatz
1. Ist Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/9/EG, demzufolge in dem Erstattungsantrag für jeden Mitgliedstaat der Erstattung und für jede Rechnung u.a. die Nummer der Rechnung anzugeben ist, dahingehend auszulegen, dass auch die Angabe der Referenznummer einer Rechnung genügt, die als zusätzliches Ordnungskriterium neben der Rechnungsnummer auf einem Rechnungsbeleg ausgewiesen ist?
2. Falls die vorstehende Frage zu verneinen ist: Gilt ein Erstattungsantrag, in dem statt der Rechnungsnummer die Referenznummer einer Rechnung angegeben worden ist, als formell vollständig und i.S. von Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG als fristwahrend vorgelegt?
3. Ist bei der Beantwortung der Frage 2 zu berücksichtigen, dass der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige aus Sicht eines verständigen Antragstellers aufgrund der Gestaltung des elektronischen Portals im Ansässigkeitsstaat und des Vordrucks des Erstattungs-Mitgliedstaats annehmen durfte, es genüge für eine ordnungsgemäße, jedenfalls formell vollständige und fristgerechte Antragstellung die Eintragung einer anderen Kennziffer als der Rechnungsnummer, um eine Zuordnung der antragsgegenständlichen Rechnung zu ermöglichen?
Normenkette
§ 18 Abs. 9 UStG, § 61 Abs. 1, § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV a.F., Art. 7, Art. 8 Abs. 2 Buchst. d, Art. 15 Abs. 1 Satz 2 EGRL 9/2008
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine in Österreich ansässige Unternehmerin, beantragte am 29.10.2012 die Vergütung von Vorsteuern für die Monate Juli bis September 2012 (Vergütungszeitraum). Der Antrag wurde dem BZSt über das Österreichische Portal elektronisch übermittelt.
In der amtlichen Anlage zum Antrag ist zu einzelnen Rechnungen unter in mehreren Fällen in der Spalte "Beleg Nr." nicht die in der jeweiligen Rechnung aufgeführte Rechnungsnummer, sondern eine weitere, jeweils in der Rechnung ausgewiesene und in der Buchhaltung der Klägerin erfasste Referenznummer ("Zusamf. Ref.") eingetragen.
Das BZSt lehnte die Vorsteuervergütung für den Streitzeitraum insoweit mit der Begründung ab, da in diesen Fällen (entgegen den gesetzlichen Anforderungen) nicht die auf den Rechnungen angegebenen Rechnungsnummern eingetragen worden seien. Der Einspruch blieb erfolglos. Das BZSt nahm an, die Klägerin habe insoweit innerhalb der am 30.9.2013 endenden Antragsfrist keinen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Antrag vorgelegt. Eine Wiedereinsetzung komme nicht in Betracht, weil die Klägerin bereits bei früheren Anträgen und durch ein Hinweisschreiben auf die unzureichenden Angaben hingewiesen worden sei. Es wäre der Klägerin daher möglich gewesen, innerhalb der Antragsfrist die Angaben beizubringen.
Das FG (FG Köln, Urteil vom 14.9.2016, 2 K 195/14, Haufe-Index 10077736, EFG 2016, 2098) gab der Klage statt. Die Klägerin habe innerhalb der Antragsfrist einen ordnungsgemäßen Vergütungsantrag übermittelt. Die Angabe der Referenznummer genüge den Anforderungen an die Antragstellung. Jedenfalls führe die fehlerhafte Angabe der Rechnungsnummer nicht zur Unwirksamkeit des Vergütungsantrags, weil sie nicht "inhaltsleer" gewesen sei.
Entscheidung
Der BFH legte wegen der von ihm gesehenen unionsrechtlichen Zweifel die im Leitsatz genannten Fragen dem EuGH vor, obwohl er ausgeführt hat, dass die Revision nach nationalem Recht unbegründet wäre.
Hinweis
1. Ausländische Unternehmer, die beim BZSt die Vergütung von deutscher Vorsteuer beantragen, müssten peinlich genau darauf achten, dass sie die formellen Anforderungen des Vergütungsverfahrens einhalten; denn die Antragsfrist ist eine Ausschlussfrist (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 9.1.2014, XI B 11/13, BFH/NV 2014, 915, Rz. 14; BFH, Beschluss vom 18.7.2016, V B 5/16, BFH/NV 2016, 1594, Rz. 3) und der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn der Antragsteller alle in den Art. 8, 9 und 11 EGRL 9/2008 geforderten Angaben gemacht hat (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 EGRL 9/2008, § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV).
Aber meint dies (nur), dass die Angaben formal vollständig sein müssen, oder müssen sie (auch) inhaltlich richtig sein? Ist also hier – anders als z.B. bei der Rechnung (vgl. EuGH, Urteil vom 15.9.2016, C-518/14, Senatex, BFH/NV 2016, 1870) – eine rückwirkende Berichtigung unrichtiger Angaben ausgeschlossen? Und kann sich – ohne Berichtigung der unrichtigen Angaben – der notwendige Inhalt auch aus den dem Antrag beigefügten Rechnungen ergeben (vgl. EuGH, Urteil vom 15.9.2016, C-516/14, Barlis 06, BFH/NV 2016, 1870).
2. Zu solchen unrichtigen Angaben kann es immer wieder kommen: Dass der Antrag auf Vorsteuervergütung von in der EU ansässigen Unternehmern mittlerweile über ein elektronisches Portal im Ansässigkeits-Mitgliedstaat gestellt werden muss (§ 61 Abs. 1 Satz 1 UStDV), stellt zwar eine Vereinfachung für EU-weit agierende Unternehmer dar, löst aber selbst zwischen Staaten, die dieselbe Sprache sprechen, nicht immer alle Probleme:
- Was soll der redliche Unternehmer tun, wenn er nach Art. 8 Buchst. d EGRL 9/2008 ...