Leitsatz
Sind technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für eine einen Geldautomaten betreibende Bank und deren Bargeldauszahlungen mit Geldautomaten erbringt, nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei, wenn gleichartige technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für Kartenzahlungen beim Verkauf von Kinokarten erbringt, gemäß dem EuGH-Urteil Bookit vom 26. Mai 2016, C‐607/14 (EU:C:2016:355), nach dieser Bestimmung nicht steuerfrei sind?
Normenkette
§ 4 Nr. 8 Buchst. d UStG, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 6. EG-RL (= EWGRL 388/77), Art. 135 Abs. 1 Buchst. d EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin erbringt für ihren Auftraggeber, eine Bank, Leistungen beim Betrieb von Geldausgabeautomaten. Die Klägerin stellte funktionsfähige Geldausgabeautomaten mit Soft- und Hardware, die mit dem Logo der Bank versehen waren, an den vorgesehenen Standorten auf und war für den ordnungsgemäßen Betrieb verantwortlich. Die Klägerin transportierte das Bargeld, das sich im Eigentum der Bank befand und das der Klägerin zum Transport zu den Geldausgabeautomaten zur Verfügung gestellt wurde, und übernahm die Bargeldbefüllung der Geldausgabeautomaten.
Beim Betrieb der Geldausgabeautomaten wurden von den zum Geldabheben verwendeten Geldkarten Daten erfasst. Die Klägerin prüfte diese Daten und versandte auf elektronischem Weg eine Autorisierungsnachricht über die vom Karteninhaber gewünschte Transaktion über den Bankverlag und über den betroffenen Bankenverbund an die Bank, die dem Kunden die Geldkarte ausgegeben hatte. Diese Bank prüfte die Deckung des Kundenkontos und leitete eine entsprechende Genehmigung oder Ablehnung der Anfrage über dieselbe Kette zurück. Nach Erhalt dieser Nachricht generierte die Klägerin einen Datensatz über die Geldausgabe und führte im Genehmigungsfall die Geldausgabe am Geldautomaten durch. Im Auszahlungsfall erzeugte die Klägerin zudem einen Datensatz über die Geldausgabe. Den Datensatz übersandte die Klägerin an ihren Auftraggeber, die Bank, als Buchungsinstruktion. Diese Bank spielte die Datensätze unverändert in das System der Deutschen Bundesbank ein. Aufgrund dieser Einspielung wurden der Erstattungsanspruch des Auftraggebers der Klägerin, der Bank, gegenüber der jeweiligen Bank des Geldautomatenbenutzers auf Erstattung des ausgezahlten Geldbetrags sowie die hierfür angefallenen Gebühren rechtlich bindend festgeschrieben. Mit der Einspielung der Daten wurde darüber hinaus unmittelbar die Verrechnung über die Auszahlung zuzüglich eventuell anfallender Nutzungsgebühren des Geldautomaten zwischen dem Auftraggeber der Klägerin, der Bank, und der die Karten herausgebenden Bank des Kunden gebucht.
Die Klägerin machte geltend, dass ihre Leistungen steuerfrei seien. Das FA folgte dem nicht und lehnte den Antrag ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das FG der Klage statt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.10.2014, 6 K 1465/12, Haufe-Index 7560227, EFG 2015, 588).
Entscheidung
Der BFH setzte das Verfahren aus und legt dem EuGH die im Tenor bezeichnete Rechtsfrage vor. Die Rechtsache ist nunmehr beim EuGH unter dem Az. C-42/18 (Rs. Cardpoint) anhängig.
Hinweis
1. Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL (früher: Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG).
2. Der EuGH hat hierzu entschieden (EuGH, Urteil vom 26.5.2016, C‐607/14, Bookit, EU:C:2016:355), dass die Steuerfreiheit nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRLnicht für eine als Abwicklung von Debit- oder Kreditkartenzahlungen bezeichnete Dienstleistung gilt, die von einem Steuerpflichtigen erbracht wird, wenn eine Person über ihn mittels Debit- oder Kreditkarte eine Kinokarte erwirbt, die er im Namen und für Rechnung eines anderen Unternehmens verkauft.
3. Der BFH hat Zweifel, ob nach Maßgabe dieser Rechtsprechung technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für eine einen Geldautomaten betreibende Bank und deren Bargeldauszahlungen mit Geldautomaten erbringt, steuerfrei sind.
Aus Sicht des BFH unterscheiden sich derartige Tätigkeiten nur insoweit von den nach dem EuGH-Urteil Bookit steuerpflichtigen Leistungen, als sich die Leistung dort auf den Erwerb einer Kinokarte bezog, nicht aber Geldauszahlungen über Geldausgabeautomaten vorgenommen wurden.
Der Leistungsgegenstand besteht in beiden Fällen im Wesentlichen in einem Austausch von Informationen, der für sich genommen nicht steuerfrei ist. Dass in einem Fall Geld vom Kunden vereinnahmt werden soll, während es im anderen Fall um eine Auszahlung an den Kunden geht, könnte als unerheblich anzusehen sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 28.9.2017 – V R 6/15