1.1 Rechtswahl / Optionsrecht
Im Regelfall wird an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers angeknüpft. Der Erblasser hat aber die Möglichkeit, sein Heimatrecht zu wählen.
Wenn jemand also in einem Mitgliedsland stirbt, das nicht sein Heimatland ist, wird die Erbschaft prinzipiell nach den Regeln und von den Gerichten jenes Mitgliedslandes abgewickelt, in dem der Erblasser zuletzt seinen ordentlichen Wohnsitz hatte. Damit wird vermieden, dass sich Gerichte in verschiedenen Mitgliedsländern für zuständig erklären und unterschiedliche, teils widersprüchliche Regeln zur Anwendung bringen wollen.
Alternativ hat der Erblasser die Möglichkeit, seine testamentarischen Verfügungen nach den Regeln seines EU-Ursprungslandes abwickeln zu lassen. Damit kann er sicherzustellen, dass die in seinem Heimatland vorgesehenen Bestimmungen zum Tragen kommen, etwa im Fall von Schenkungen, die er zu Lebzeiten vornimmt.
Ein in französischer Staatsbürger, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, würde grundsätzlich nach deutschem Recht vererben, könnte sich aber auch für das französische Erbrecht entscheiden.
1.2 Europäisches Nachlasszeugnis
Ein Europäisches Nachlasszeugnis erleichtert die Abwicklung von grenzüberschreitenden Erbfällen innerhalb der EU. Das Europäische Nachlasszeugnis ähnelt in Inhalt und Wirkung dem deutschen Erbschein (§§ 2353 ff. BGB). Es gibt insbesondere Auskunft über das anwendbare Recht, Art und Weise der Berufung, Person des Erben, die Erbquoten und die dem Nachlassberechtigten zustehenden Vermögenswerte.
Das Zeugnis enthält eine Vermutungswirkung dahingehend, das der im Zeugnis Ausgewiesene zur Rechtsnachfolge berechtigt bzw. mit den im Erbschein ausgewiesenen Befugnissen ausgestattet ist und keine anderen Verfügungsbeschränkungen als die im Zeugnis ausgewiesenen bestehen (Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins, Art. 42 Abs. 2 Europäische Erbrechtsverordnung, vgl. § 2365 BGB). Es dient bis zum Beweis des Gegenteils als Nachweis für die Stellung als Erbe, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker.
1.3 Keine Auswirkungen auf nationale Erbschaften und auf Steuerrecht
Die Bestimmungen der Europäischen Erbrechtsverordnung ändern nichts in Erbschaftsfällen von Bürgern, die ihren Wohnsitz im Heimatland haben, und führen zu keiner Harmonisierung des Erbrechts in der EU. Nationale Bestimmungen zu Erbschaften, Erbgütern und damit verbundene Steuerpflichten bleiben von der Verordnung unangetastet.