Prof. Dr. Christoph Eisl, Prof. Dr. Heimo Losbichler
1.4.1 Eye-Tracking-Einsatzmöglichkeiten
Eye Tracking ermöglicht es, Blickverläufe, d. h. die Abfolge, wie Menschen Informationen mit dem Auge scannen, aufzuzeichnen und zu analysieren. Damit kann die "Black Box" der Wahrnehmung ein Stück transparenter gemacht und für die Interpretation und Optimierung von Managementberichten herangezogen werden. Die Augen sind damit sozusagen das Fenster zu den dahinterliegenden Wahrnehmungsprozessen, die eigentlich erforscht und analysiert werden sollen.
Im Reporting Design werden Eye-Tracking-Tests primär in 2 Szenarien eingesetzt:
- In Szenario 1 werden den Berichtslesern konkrete Fragen gestellt, um zu ermitteln, wie gut sich eine gewählte Darstellung für eine spezifische Aufgabenstellung eignet.
- In Szenario 2 werden Berichtslesern Reports ohne Fragen vorgelegt, um daraus das natürliche/gewohnte Leseverhalten zu analysieren sowie blinde Flecken und besonders relevante Informationsbereiche ausfindig zu machen.
Zum besseren Verständnis wird Szenario 1 anhand des folgenden Beispiels näher erläutert. Der Berichtsleser versucht, in normaler Lesegeschwindigkeit ohne Wettbewerbsgedanken und ohne Zeitdruck die richtige Antwort auf die gestellte Frage zu geben. Dabei sitzt er vor einem Computer-Monitor, welcher mit einer Infrarotkamera ausgestattet ist. Das Gerät zeichnet jeden Blickverlauf auf, den der Berichtsleser tätigt. Man sieht, wie der Leser den Bericht analysiert und welche Informationen in welcher Reihenfolge und mit welcher Intensität betrachtet werden. Bei der Auswertung eines Blickverlaufs werden Fixationen (Punkte, die mit dem Auge bewusst fixiert werden) und Sakkaden (schnelle Augenbewegungen ohne Aufnahme von Informationen) herangezogen. Je kürzer die Wahrnehmungszeit und je weniger sprunghaft der Blickverlauf, desto effizienter ist der Bericht. Abb. 6 zeigt ein konkretes Beispiel einer Visualisierung, welche mithilfe von Eye Tracking getestet wird. Im grau hinterlegten Feld befindet sich die Frage bzw. Aufgabenstellung für das Testszenario.
Abb. 6: Beispiel für Eye-Tracking-Testszenario mit konkreten Aufgaben
1.4.2 Eye-Tracking-Auswertungen
Um aus den von Berichtslesern betrachteten Diagrammen und Tabellen Rückschlüsse auf die Güte der Visualisierung ziehen zu können, müssen deren Blickverläufe ausgewertet werden. Dazu gibt es folgende verschiedene Möglichkeiten:
Scanpath-Analysen: Damit werden die Blickverläufe einer einzelnen Person dargestellt. In Abb. 7 wird deutlich, dass bei der Visualisierung durch 2 Tortendiagramme sehr viele Fixationen und Sakkaden notwendig sind, um die Frage beantworten zu können. Zuerst müssen die Tortensegmente der Ist- und Budgetzahlen verglichen werden, um daraus das Farbsegment mit der größten Abweichung zu identifizieren. Abschließend gilt es, in der Legende die passende Farbe zu erkennen und die richtige Region abzulesen. Aus dem Scanpath kann abgeleitet werden, dass sowohl im Vergleich der Werte als auch bei der Farbgebung Optimierungspotenzial besteht (sehr viele schnelle Blickbewegungen durch den Vergleich der Ist- und Budgetsegmente). Neben der Länge und der Dauer der Fixationen kann zusätzlich ausgewertet werden, ob die Berichtsempfänger die richtige Antwort im Diagramm identifizieren können bzw. wie lange es dauert, bis die relevante Information für den Berichtsempfänger sichtbar wird.
Abb. 7: Beispielhafter Blickverlauf (Scanpath) eines Probanden
Heat- bzw. Focusmaps: Sie verdichten die Scanpaths aller Testpersonen und geben einen Überblick, wohin die Aufmerksamkeit insgesamt gerichtet wird. Der Unterschied der beiden Darstellungen liegt in der Farbgebung. Während die Darstellung bei Focusmaps in schwarz-weiß gezeigt wird, wird die Heatmap in Farbe dargestellt. Je stärker die Gruppe der Berichtsleser gewisse Bereiche betrachtet, desto transparenter (Focusmap) bzw. stärker in Rot (Heatmap, Abb. 8) wird die betreffende Stelle eingefärbt. Mit diesen Auswertungen kann man neben den am stärksten betrachteten Bereichen auch sog. "blinde Flecken" eines Berichts, d. h. Bereiche, die nicht oder kaum betrachtet werden, identifizieren.
Abb. 8: Heatmap einer Probandengruppe
Statistische Detailanalyse und Vergleiche zwischen Darstellungsalternativen: Für die fundierte Detailanalyse der Ursachen (z. B. Warum ist eine Visualisierung gut oder schlecht? Warum werden gewisse Informationen überlesen?) gilt es, das gesamte Datenset aus der Eye-Tracking-Analyse aller Teilnehmer (d. h. jeden einzelnen Blick) mithilfe von geeigneten statistischen Verfahren auszuwerten.
Im Idealfall wird eine Darstellungsform gefunden, die sowohl eine hohe Effektivität (richtige Wahrnehmung) als auch eine hohe Effizienz (kurze Wahrnehmungszeit) aufweist. Im Vergleich zur ursprünglichen Darstellung mittels zweier Kreisdiagramme wäre die Darstellung in Abb. 9 eine deutlich bessere Alternative.
Abb. 9: Beispielhafter Scanpath eines Probanden bei einer guten Alternativdarstellung
Die alternative Darstellungsform verwendet anstatt der beiden Tortendiagramme ein Balken- und ein Abweichungsdiagramm, welche die gewünschte Information (jene der Abweichu...