Leitsatz
Unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des BFH, Urteil v. 9.2.2012, VI R 44/12, zu der Frage, wann bei der Geltendmachung von Fahrtkosten als Werbungskosten für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt, erscheint ernstlich zweifelhaft i. S. d. § 69 FGO, ob der Aufwand eines volljährigen Kindes für Fahrten zwischen seinem Lebensmittelpunkt, und seiner betrieblichen Ausbildungsstätte lediglich mit der Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG zu ermitteln ist.
Sachverhalt
Die Antragstellerin (AS) bezog für den in ihrem Haushalt lebenden Sohn, welcher 100 km vom Wohnsitz entfernt eine Berufsausbildung begonnen hat, Kindergeld. Im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der die Gewährung von Kindergeld ablehnenden Einspruchs-entscheidung (EE) begehrt die AS vor dem FG die Berücksichtigung der Fahrtkosten Ihres Sohnes zwischen dessen Wohnsitz und der Ausbildungsstätte bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge in Höhe der für Reisekosten geltenden Pauschale von 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen, da es sich nicht um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handele.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG bestehen an der Entscheidung der FK ernstliche Zweifel bezüglich der angefochtenen Aufhebung des Kindergeldbescheides, da der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsauffassung als tragenden Grund für die Nichtanwendbarkeit der Entfernungspauschale ausgeführt hat: "Denn auch wenn die berufliche Fort- oder Ausbildung die volle Arbeitszeit des Steuerpflichtigen in Anspruch nimmt, ist eine Bildungsmaßnahme, auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, regelmäßig vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt. Wie bei einer Auswärtstätigkeit hat in einem solchen Fall der Stpfl. typischerweise nicht die Möglichkeiten durch Bildung von Fahrgemeinschaften; Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel etc, seine Wegekosten gering zu halten. Damit ist eine Ausnahme von dem sonst geltenden Grundsatz der unbeschränkten Abzugsfähigkeit von Werbungskosten in den Fällen der vollzeitigen Aus- und Fortbildung nicht gerechtfertigt." Das FG ist daher der Meinung, dass die Aufwendungen gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG in tatsächlicher Höhe anzusetzen sein könnten.
Hinweis
Das FG lässt in seinem Beschluss erkennen, dass nach seiner Ansicht zwischen den Fahrten zu einer Universität oder zu einem Ausbildungsbetrieb unter dem Aspekt einer vorübergehenden Tätigkeit nicht zu unterscheiden ist. Da in dem Hauptsachverfahren mit einer positiven Entscheidung des FG gerechnet werden kann, sollten Betroffene in vergleichbaren Fällen das Verfahren durch einen Einspruch offen halten.
Link zur Entscheidung
FG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.06.2012, 1 V 30/12