Leitsatz
1. Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist der Ort, an dem ein selbstständig Tätiger seine Leistung gegenüber den Kunden erbringt (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. Aus der mit der Begrenzung des Fahrtkostenabzugs in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angestrebten Gleichbehandlung des Betriebsausgabenabzugs u.a. von Selbstständigen mit dem entsprechenden Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern folgt, dass die für die Arbeitnehmer geltenden Ausnahmen von den Abzugsbeschränkungen der Fahrtkosten im Falle gleichliegender Sachverhalte bei den selbstständig Tätigen grundsätzlich ebenso gelten.
3. Fahrtkosten einer selbstständig tätigen Musiklehrerin sind zum uneingeschränkten Betriebsausgabenabzug zuzulassen, soweit sie zwischen Wohnung und ständig wechselnden Unterrichtseinrichtungen anfallen und keiner dieser Beschäftigungsstätten eine besondere zentrale Bedeutung zukommt.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin erteilte 2008 als freiberuflich tätige Musiklehrerin im Auftrag einer kommunalen Musikschule in mehreren Schulen und Kindergärten Musikunterricht. Sie suchte jede dieser Einrichtungen einmal wöchentlich mit ihrem privaten Kfz auf. In ihrer Wohnung unterhielt sie ein Arbeitszimmer, in dem sie den Unterricht vorbereitete, Musikinstrumente lagerte und Büroarbeiten erledigte.
Als Betriebsausgaben setzte sie u.a. Fahrtkosten in Höhe von pauschal 0,30 EUR für jeden gefahrenen Kilometer an. Das FA erkannte nur 0,30 EUR pro Entfernungskilometer an.
Die Klage hatte Erfolg (FG Münster, Urteil vom 22.3.2013, 4 K 4834/10 E, Haufe-Index 3707868, EFG 2013, 839).
Entscheidung
Die Revision des FA war unbegründet. Da die Klägerin – wie ein Arbeitnehmer in Einsatzwechseltätigkeit – verschiedene Unterrichtseinrichtungen nutzte, von denen keiner eine zentrale Bedeutung zukam, konnte sie ihre Fahrtkosten in tatsächlicher Höhe abziehen.
Hinweis
1. Erzielt ein Steuerpflichtiger Gewinneinkünfte, so dürfen Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG), soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ordnet die entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG an. Danach sind Fahrten eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und (bis 2013) regelmäßiger Arbeitsstätte mit der Entfernungspauschale von 0,30 EUR für jeden vollen Entfernungskilometer, höchstens 4.500 EUR im Kalenderjahr, abgegolten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F.). Die für Gewinneinkünfte zuständigen BFH-Senate haben sich deshalb mit der Rechtsprechung des Lohnsteuersenats auseinanderzusetzen.
2. Der Begriff der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist weiter als in § 12 AO:
- § 12 AO setzt eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung voraus,
- die Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist der Ort, an dem oder von dem aus der Unternehmer seine Leistungen erbringt; eine Verfügungsmacht des Unternehmers ist nicht erforderlich. Ein tätigkeitsbedingter häufiger Wechsel des Einsatzortes schließt nicht aus, dass die jeweilige Beschäftigungsstelle eine Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist. Unterrichtsräume, in denen ein selbstständiger Lehrer vorträgt, sind daher Betriebsstätten i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG, sodass der Fahrtkostenabzug auf 0,30 EUR je Entfernungskilometer begrenzt wäre.
2. Durch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG sollen jedoch Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte bei der Ermittlung von Gewinneinkünften mit den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei der Ermittlung von Überschusseinkünften gleich behandelt werden, wie die Verweisung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zeigt. Das ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu berücksichtigen. Für Arbeitnehmer geltende Ausnahmen der Abzugsbeschränkungen sind daher auf Gewerbetreibende und selbstständig Tätige zu übertragen.
3. Die Begrenzung der Fahrtkosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG gilt nicht für Arbeitnehmer auf ständig wechselnden auswärtigen Tätigkeitsstätten (Einsatzstellen); abziehbar sind die tatsächlichen Aufwendungen anstelle der Entfernungspauschale. Das gilt für Arbeitnehmer, die im Betrieb des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben, die den ortsgebundenen Mittelpunkt ihrer dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bildet. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte immer wieder aufsucht, begründet dort keine regelmäßige Arbeitsstätte, wenn immer wieder verschiedene Betriebsstätten aufgesucht werden und eine regelmäßige Arbeitsstätte mit hinreichend zentraler Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten fehlt. Entsprechendes gilt für Unternehmer.
4. Die Entfernungspauschale bezieht sich seit dem 1.1.2014 auf Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Das hat für zah...