Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Eine Bildungseinrichtung ist nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, auch wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg zum Zwecke eines Vollzeitunterrichts aufgesucht wird (Änderung der Rechtsprechung in BFH-Urteilen vom 10.4.2008, VI R 66/05, BFHE 221, 35, BStBl II 2008, 825 und vom 22.7.2003, VI R 190/97, BFHE 203, 111, BStBl II 2004, 886).
2. Aufwendungen eines Zeitsoldaten für Fahrten zur Ausbildungsstätte, die im Rahmen einer vollzeitigen Berufsförderungsmaßnahme anfallen, sind deshalb nicht mit der Entfernungspauschale, sondern in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5, § 52 Abs. 12, 23d und 30a EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG
Sachverhalt
K bezog bis Juni 2009 als Soldat auf Zeit (zuletzt Oberfeldwebel) Lohneinkünfte. Ihm wurde nach Maßgabe des Soldatengesetzes eine berufliche Bildungsmaßnahme genehmigt, nämlich eine Ausbildung als Ingenieur in der A-Schule in B. Dazu wurde er vom militärischen Dienst freigestellt und K nahm die Ausbildung im Februar 2008 auf. K machte für 2009 Fortbildungskosten in Höhe von 7.570 EUR als Werbungskosten geltend. Davon 6.452 EUR als Fahrtkosten von seiner Wohnung zur A-Schule, ermittelt nach Dienstreisegrundsätzen (0,30 EUR je gefahrenen Kilometer) sowie Verpflegungsmehraufwendungen. Das FA berücksichtigte dagegen die Fahrtkosten nur auf Grundlage der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG), weil die A-Schule zur regelmäßigen Arbeitsstätte geworden sei. Die Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 3.8.2011, 4 K 40/11, EFG 2011, 2051).
Entscheidung
Der BFH gab der Klage hinsichtlich der Fahrtkosten aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen statt, berücksichtigte allerdings keinen Verpflegungsmehraufwand.
Hinweis
In diesem Besprechungsurteil war – wie im vorstehenden VI R 44/10 – darüber zu entscheiden, ob Fahrten zu einer Bildungseinrichtung als solche zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte zu beurteilen sind, sodass die Aufwendungen dafür nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt werden können.
1. Der BFH ging auch hier von dem Grundsatz aus, dass bei einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang zwischen Bildungsaufwendungen und späterer Berufstätigkeit die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sind. Und nach Maßgabe derselben Rechtsgrundsätze qualifizierte der BFH auch hier die Kosten für die Fahrten zur Berufsbildungsstätte nicht als solche zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte.
2. K hatte als Berufssoldat bereits eine erste Berufsausbildung absolviert, sodass die mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BeitrRLUmsG vom 7.12.2011, BGBl I 2011, 2592) eingeführte neue und rückwirkend ab 2004 geltende Rechtslage nicht zur Anwendung kam.
3. In Bezug auf die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen hat der BFH die Klage abgewiesen. Denn nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG ist der Abzug dafür auf die ersten drei Monate der Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt. Diese Frist war im Veranlagungszeitraum 2009 jedenfalls verstrichen, nachdem K die Schule bereits seit Februar 2008 besucht hatte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.2.2011 – VI R 42/11