Leitsatz
1. Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze i.S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG setzen voraus, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens der Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden ist (Anschluss an Senatsurteil vom 06.02.2013 – VI R 28/11, BFHE 240, 546, BStBl II 2013, 572).
2. Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens sind Versorgungsbezüge, da sie keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Ruhestandsbeamten darstellen, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden. Dies gilt auch, wenn die Fahrvergünstigungen aufgrund eines vor Erreichens der Altersgrenze abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrags geleistet werden.
Normenkette
§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und b, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a und b, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war bis Ende Juni 1994 als Beamter für die Deutsche Bahn tätig. Im Juni 1994 schloss er mit der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DB AG) einen Anstellungsvertrag. Dort war u.a. bestimmt, dass der Kläger eine persönliche Jahresnetzkarte erhält, und zwar auch dann noch, wenn er Ruhegeld bezieht. Das Bundeseisenbahnvermögen (BEV) beurlaubte den Kläger ab diesem Tag unter Wegfall der Besoldung aus seinem Beamtenverhältnis. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der DB AG endete mit dem Ende des Monats, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendete. Anschließend erhielt er Versorgungsbezüge vom BEV. Das BEV bescheinigte, dass es sich bei dem Arbeitslohn in voller Höhe um Versorgungsbezüge gehandelt habe. Einen gesonderten Ausweis der geldwerten Vorteile aus Sachbezügen (Jahresnetzkarten) enthielten die Lohnsteuerbescheinigungen nicht.
Das FA veranlagte den Kläger entsprechend. Den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG i.H.v. 1.000 EUR berücksichtigte es nicht. Es setzte lediglich die klägerseits erklärten Werbungskosten i.H.v. 482 EUR für 2015 und i.H.v. 519 EUR für 2016 steuermindernd an.
Im Einspruchsverfahren machte der Kläger u.a. geltend, dass bei den Sachbezügen der Arbeitnehmer-Pauschbetrag i.H.v. 1.000 EUR zu berücksichtigen sei. Bei den Jahresnetzkarten handele es sich zwar um Arbeitslohn, nicht aber um Versorgungbezüge.
Das FG wies die nach den im Streitpunkt erfolglosen Vorverfahren erhobene Klage ab (Vorinstanz: FG München, Urteil vom 8.5.2018, 6 K 2979/17, Haufe-Index 11875833, EFG 2018, 1447).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH zurückgewiesen. Das FG habe zutreffend entschieden, dass dem Kläger der Arbeitnehmer-Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG für die Sachbezüge in Gestalt der Jahresnetzkarte nicht zusteht, weil er in den Streitjahren bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ausschließlich Versorgungsbezüge bezogen habe.
Hinweis
1. Nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ist von den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit, soweit es sich um Versorgungsbezüge i.S.v. § 19 Abs. 2 EStG handelt und keine höheren Werbungskosten nachgewiesen werden, nur ein Pauschbetrag von 102 EUR und nicht der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 EUR (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) abzuziehen.
2. Versorgungsbezüge sind u.a. gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbare Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat. Sie können gemäß § 8 Abs. 1 EStG in Geld und als Sachbezug auch in Geldeswert bestehen (Krüger, in Schmidt, EStG, 38. Aufl., § 19 EStG Rz. 96).
3. Entscheidend für das Merkmal von Bezügen aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens dieser Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden worden ist. Das vom Arbeitgeber geleistete Entgelt stellt damit keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Arbeitnehmers dar, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden (BFH, Urteil vom 6.2.2013, VI R 28/11, BFH/NV 2013, 1291, m.w.N.).
4. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der kostenlosen Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten um einen Versorgungsbezug i.S.v. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG.
a) Der Kläger, der das 63. Lebensjahr vollendet hatte, war in den Streitjahren Versorgungsempfänger und als solcher nicht mehr zu Dienstleistungen verpflichtet. Den Anspruch auf die kostenlosen Jahresnetzkarten hatte er aufgrund des mit der DB AG im Juni 1994 geschlossenen Anstellungsvertrags erworben. Es handelt sich damit um einen Bezug aus früheren Dienstleistungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach dem Anstellungsvertrag erhielt der Kläger die Jahresnetzkarten auch für die Dauer des Bezugs des Ruhegeldes. Damit knüpft...