2.1 Steuerfreiheit beim Fahrzeuglieferer
Die Sonderregelung, also auch die Definition des "neuen Fahrzeugs" ist nur anzuwenden, wenn ein die Kriterien erfüllendes Fahrzeug
- von einem gewerblichen Händler an einen nichtsteuerpflichtigen Abnehmer (nicht im Besitz einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder
- durch einen nichtsteuerpflichtigen Lieferanten (Privatperson, nichtunternehmerisch tätige juristische Person, Kleinunternehmer, durchschnittsbesteuernder Land- und Forstwirt) an Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet
geliefert wird. In beiden Fällen unterliegt die Fahrzeuglieferung der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der Bezug beim Abnehmer der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs.
Lieferschwelle bei Gebrauchtfahrzeugen beachten
Ein im Inland ansässiger gewerblicher Pkw-Händler, der ein Neufahrzeug oder auch ein Gebrauchtfahrzeug an einen in Frankreich ansässigen Unternehmer liefert, der im Besitz einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist, hat die Lieferung wie eine normale innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln. Beliefert er aber einen in Frankreich ansässigen Abnehmer ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, kommt die Sonderregelung bei Neufahrzeugen zur Anwendung. Bei Gebrauchtfahrzeugen gilt es in diesem Fall, die Lieferschwelle für Frankreich zu beachten, wenn für den Ankauf des Fahrzeugs durch den Händler ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden konnte. Andernfalls kann unter den Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 UStG (Warenankauf erfolgte ohne die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug) die Differenzbesteuerung auch für derartige Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet angewandt werden.
Lieferung an/durch Privatpersonen
- Autohändler Meyer aus Köln liefert an einen Kunden in Frankreich einen fabrikneuen Pkw. Der Kunde ist nicht im Besitz einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, kann aber durch Vorlage seiner Ausweispapiere glaubhaft machen, dass er den Pkw nach Frankreich verbringt und dort zulassen will. Grundsätzlich kann die Lieferung an den nichtsteuerpflichtigen Abnehmer steuerfrei ausgeführt werden, wenn die Verbringung nach Frankreich auch belegmäßig nachgewiesen wird.
- Eine in Deutschland ansässige Privatperson erwirbt in Deutschland ein Wohnmobil, das erstmalig am 31.3.2022 zugelassen wird, zum Preis von 75.000 EUR + 19 % USt (= 14.250 EUR). Bereits am 15.7.2022 wird das Fahrzeug an einen Abnehmer in Frankreich für 70.000 EUR (steuerfrei) verkauft. Die Privatperson wird im Umfang der Fahrzeuglieferung wie ein Unternehmer behandelt. Im Zeitpunkt der Lieferung an den französischen Abnehmer ist gem. § 15 Abs. 4a UStG ein Vorsteuerabzug bis zur Höhe des auf den Verkaufswert entfallenden (fiktiven) Betrags der Umsatzsteuer möglich. Im Beispiel hätte die Privatperson bei Abgabe der einmaligen Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2022 einen Erstattungsanspruch von 13.300 EUR.
2.2 Fahrzeugeinzelbesteuerung beim Erwerb
Wird ein Fahrzeug, das die in Tz. 1 genannten Kriterien erfüllt, im Zusammenhang mit einer Lieferung aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland verbracht, tätigt der Abnehmer einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb. Die Sonderregelung bezieht für den Bereich der Neufahrzeuge jede Person in den Kreis der steuerpflichtigen Erwerber ein, auch wenn sie für Zwecke der Umsatzsteuer bisher nicht erfasst ist. Damit sollen Wettbewerbsverzerrungen durch Fahrzeugverkäufe in Niedrigsteuerländer verhindert werden. Die Fahrzeugeinzelbesteuerung ist nur deshalb praktisch umsetzbar, weil Land-, Luft- und Wasserfahrzeuge einer amtlichen Registrierungspflicht unterliegen, an die auch eine Kontrolle der Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen gebunden werden kann.
Die amtlichen Zulassungsstellen sind verpflichtet, die entsprechenden Anmeldedaten den zuständigen Finanzämtern zur Überwachung der Erwerbsbesteuerung zu übermitteln. Kommt der Abnehmer seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nach, hat die Zulassungsstelle auf Antrag des Finanzamts den Fahrzeugschein einzuziehen und das amtliche Kennzeichen zu entstempeln.
Erwerb durch Privatperson
Die in Flensburg ansässige Privatperson Schulze erwirbt am 10.7.2022 bei einem dänischen Händler einen Neuwagen zum Preis von 30.000 EUR. Das Fahrzeug wird nach Deutschland verbracht und soll hier zugelassen werden.
Unabhängig vom Tag der Zulassung schuldet Schulze zum Zeitpunkt des Erwerbs die Umsatzsteuer i. H. v. 5.700 EUR. Bemessungsgrundlage und Steuerbetrag sind in einer einmalig abzugebenden Umsatzsteuererklärung auf Vordruck USt 1 B dem für Schulze zuständigen Finanzamt bis zum 10.8.2022 zu deklarieren und zu entrichten. Bestünde Schulze nicht auf einer steuerfreien Lieferung des dänischen Händlers, käme es zur Doppelbelastung mit dänischer und deutscher Umsatzsteuer.
Zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung für die Fahrzeugeinzelbesteuerung (Vordruck USt 1B) an das für sie zuständige Finanzamt si...