Dipl.-Finanzwirt (FH) Nikolaus Zöllner
Kapitalmarktfinanzierte Unternehmen drängen so schnell wie möglich mit ihren Zahlen an die Öffentlichkeit, um unter anderem gegenüber der Konkurrenz auf den Finanzmärkten einen zeitlichen Vorsprung zu erzielen. Die Veröffentlichung der Abschlusszahlen wenige Tage vor den Konkurrenten kann ein positives und deutlich sichtbares Signal auf den Märkten setzen und die Aufmerksamkeit der Geldgeber gezielt auf das eigene Unternehmen lenken. Zudem signalisiert eine zeitnahe Veröffentlichung imagewirksam, dass das jeweilige Unternehmen seine Prozesse straff und schlank organisiert hat und der Anleger schnell zuverlässiges Informationsmaterial erhält, um Risiko und Rendite seiner Finanzanlage einschätzen zu können.
Neben den Finanzmärkten belohnen auch andere Institutionen schnelle Jahresabschlüsse. Die im Mittelstand nach wie vor stark eingebundenen (Haus-) Banken erwarten frühzeitig zuverlässige Unternehmenszahlen, um die interne Risikoeinschätzung im Zuge von Basel III vornehmen zu können. Durch Bankenratings, bei denen die Auswertung des Jahresabschlusses eine große Rolle spielt, bestimmen Kreditinstitute das Ausfallrisiko eines Schuldners. Je höher es ausfällt, desto mehr Eigenkapital muss die Bank für die ausgegebenen Kredite hinterlegen. Die Kosten für diese Eigenkapitalhinterlegung wirken sich direkt auf die Kreditkonditionen der betroffenen Unternehmen aus. Je früher Banken Finanzdaten ihrer Darlehensnehmer erhalten, desto einfacher und genauer lässt sich die Risikoeinschätzung durchführen. Länger zurückliegendes Zahlenwerk bedeutet höhere Ungewissheit, die sich in der schlussendlichen Risikobewertung widerspiegelt.
Auch interne Gründe sprechen für den Fast Close. Der fortwährend steigende Wettbewerbs- und Renditedruck löst in den Konzernen und mittelständischen Unternehmen regelmäßig nachhaltige Kosteneinsparungsprogramme in allen Abteilungen und Bereichen aus. Ansatz ist oftmals der Prozess der Informationsbeschaffung. Werden durch Prozessoptimierung Informationen schneller bereitgestellt, kann das als "Abfallprodukt" auch den Jahresabschluss beschleunigen. Durch Straffung der Rechnungswesenprozesse und Beschleunigung der Abschlusserstellung kann zudem das Management früher auf die nachgelagerten Auswertungen im Controlling und Berichtswesen zur Planung und Steuerung des Unternehmens zurückgreifen.
Mitunter sind es auch unscheinbare Gründe, die eine Beschleunigung des Jahresabschlusses erzwingen. Fusionen, strategische Neuorientierungen, Sanierungen oder Unternehmensverkäufe – bei kleinen und mittleren Unternehmen oftmals bedingt durch das Fehlen eines geeigneten Nachfolgers – können dazu führen, dass ein Unternehmen in einen Konzern eingebunden wird. Strenge Vorgaben hinsichtlich der Abschlusserstellung und der Berichterstattung zwingen die Rechnungswesenverantwortlichen kurz- bis mittelfristig ihren bisherigen Prozess der Abschlusserstellung zu überdenken. Die Abschlusserstellung hat – ohne Alternative – bis zu einem fest vorgegebenen Termin zu erfolgen; und dieser Termin ist in den allermeisten Fällen sehr sportlich.