Prof. Dr. Helmut Wannenwetsch
Die Materialien und Güter, welche disponiert und beschafft werden, können sehr unterschiedlich sein. Tab. 2 zeigt im Überblick häufig vorkommende Materialien und Betriebsmittel.
Materialien und Betriebsmittel |
Funktion |
Rohstoffe (Erzeugnisstoffe) |
… sind unmittelbarer Hauptbestandteil des zu fertigenden Erzeugnisses (z. B. Aluminium, Kupfer, Kunststoffgranulat). |
Hilfsstoffe |
… gehen lediglich als Hilfsfunktion in das Endprodukt ein (z. B. Leim, Schrauben). |
Betriebsstoffe |
… werden im Produktionsprozess verbraucht, bilden also keinen Bestandteil des Fertigerzeugnisses (z. B. Energie, Wasser, Öl). |
Zulieferteile |
… werden von Lieferanten bezogen. |
Ersatzteile |
… werden eigens erstellt. Sie können auch Endprodukt sein (z. B. Auspuff, Motor, Schraube). |
Handelswaren |
… werden dem Endprodukt unverarbeitet bereitgestellt. Sie können das Verkaufsprogramm ergänzen (z. B. Radios, Feuerlöscher bei Pkw-Fertigung) |
Fertigerzeugnisse (Enderzeugnisse) |
… sind vom Unternehmen hergestellte Endprodukte (z. B. Pkw, Fernseher, Kleidung, Waschmaschinen). |
Halbzeuge |
… sind vorgeformte Rohstoffe (z. B. Bleche, Kunststoffe, Baustähle, T-Träger). |
Tab. 2: Materialien und Betriebsmittel
Ungefähr 80 % aller produzierten Waren sind Lageraufträge, d. h., sie basieren auf wahrscheinlichem Absatz und nicht auf festen Kundenaufträgen. Die Materialbedarfsarten können nach Ursprung und Erzeugnisebene in Primärbedarf, Sekundärbedarf und Tertiärbedarf unterteilt (vgl. Tab. 3) und unter Berücksichtigung des Zusatzbedarfs und der Lagerbestände in Brutto- und Nettobedarf eingeteilt werden.
Primärbedarf |
Erzeugnisse, Gruppenteile, Ersatzteile und Waren Ergibt sich aus Absatzplan, Produktionsplan Kundenaufträgen Beispiele: Pkw, Waschmaschine, Kleidung |
Sekundärbedarf |
Werkstoffe, Rohstoffe, Einzelteile und Baugruppen Notwendig zur Fertigung des Primärbedarfs Beispiele: Aluminium, Granulat, Bleche, Holz |
Tertiärbedarf |
Hilfs- und Betriebsstoffe und Verschleißwerkzeuge Beispiele: Öle, Schmierstoffe, Energie |
Tab. 3: Materialbedarfsarten
2.1 Errechnung von Bruttobedarf und Nettobedarf
Der Sekundärbedarf wird aus der Multiplikation des Primärbedarfs mit den Erzeugnisbestandteilen aus den Stücklisten abgeleitet. Unter Berücksichtung des Zusatzbedarfs kann der Bruttobedarf ermittelt werden.
|
Sekundärbedarf |
+ |
Zusatzbedarf |
= |
Bruttobedarf |
Der Zusatzbedarf ist der ungeplante Bedarf, der zusätzlich benötigt wird, wie z. B. Mehrbedarf für Ausschuss, Schwund, Instandhaltung, Reparaturen, Versuchszwecke, Herstellung von Exoten. Der Zusatzbedarf wird häufig durch Statistiken ermittelt und dem Sekundärbedarf als prozentualer Zuschlag zugeschlagen. Die nachfolgende Tab. 4 zeigt die Bruttobedarfsermittlung unter Berücksichtigung des Zusatzbedarfes.
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Quartal |
1 |
2 |
3 |
4 |
|
ermittelter Sekundärbedarf |
160 |
130 |
150 |
170 |
+ |
Zusatzbedarf (10 %) |
16 |
13 |
15 |
17 |
= |
Bruttobedarf |
176 |
143 |
165 |
187 |
Tab. 4: Bruttobedarfsermittlung (Beispiel)
Über Lagerbestand zum Nettobedarf
Eine genaue Materialbedarfsermittlung ist erst durch die Berücksichtigung der Lagerbestände möglich. Daraus resultiert der Nettobedarf. Bei Sortimenten von mehreren hundert oder tausend von Artikeln benötigt die Materialdisposition zur Errechnung des Nettobedarfs EDV-gestützte Verfahren mit hoher Aktualität. Nur durch eine zeitnahe Bestandsübersicht kann exakt und optimal disponiert werden. Dies erfordert eine vernetzte Kommunikation mittels EDV, Barcoding oder RFID (Radio Frequency Identification) vom Lieferanten über den Hersteller bis zum Kunden. Nur dadurch kann der Kundenbedarf schnell in einen Lieferantenauftrag umgesetzt werden. Der Nettobedarf errechnet sich wie in Tab. 5 dargestellt.
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Sekundärbedarf |
+ |
Zusatzbedarf |
= |
Bruttobedarf |
– |
Lagerbestände |
– |
Bestellbestände |
+ |
Reservierte Bestände |
= |
Nettobedarf |
Tab. 5: Ermittlung des Nettobedarfs
Zur Ermittlung des Nettobedarfs werden die Lagerbestände und die offenen Mengen laufender Bestellungen vom Bruttobedarf abgezogen. Hinzugerechnet werden die reservierten Bestände aus Vormerkungen für bestehende Aufträge, die in Kürze vom Lager abgehen. Das Ziel ist, das richtige Material zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Menge und Qualität, am richtigen Ort und zu den optimalen Kosten bereitzustellen.
Fallbeispiel: Ermittlung des Materialbedarfs von Blechteilen
Das Beispiel hat folgende Ausgangsdaten (vgl. Tab. 6):
|
|
Bedarf (B) in Stück |
Zugang (Z) in Stück |
Lagerbestand (AB – B + Z) in Stück |
Anfangsbestand (AB) |
|
5.000 |
|
Auftrag 1 (von der Fertigung) |
3.000 |
|
2.000 |
Auftrag 2 (von der Entwicklung) |
1.700 |
|
300 |
Zugang (vom Lieferanten I) |
|
1.500 |
1.800 |
Auftrag 3 (von der Werkstatt) |
1.000 |
|
800 |
Verschrottung (Abgang) |
300 |
|
500 |
Ausschuss (Abgang) |
100 |
|
400 |
Mindestbedarf |
3.400 |
|
|
Mindestbestellmenge (Losgröße: 500 Stück) |
|
|
3.000 |
Tab. 6: Ausgangsdaten des Beispiels
Der Materialbedarf von 3.000 Stück ist in Losen von 6 mal 500 Stück vom Einkauf über Rahmenverträge (z. B. Just-in-Time, Just-in-Sequence) oder als Einzelbestellung zu beschaffen. Die Beschaffung innerhalb des Rahmenvertrags kann dann von der Materialdisposition durchgeführt werden. Bei der Dis...