Normalerweise läuft die Festsetzungsfrist nach Ablauf von 4, 5 oder 10 Jahren jeweils zum Ende eines Kalenderjahres ab. Es gibt aber in § 171 AO zahlreiche Ablaufhemmungstatbestände, die den Ablauf der Frist hinausschieben. Dabei kann die Frist dann auch während des Kalenderjahres ablaufen. Im Folgenden werden die in der Praxis wichtigsten Tatbestände erläutert:

1.4.1 Ablaufhemmung wegen offenbarer Unrichtigkeiten

Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit i. S. d. § 129 AO unterlaufen, endet die Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 2 Satz 1 AO insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt nach § 171 Abs. 2 Satz 2 AO in den Fällen des § 173a AO.[1]

 
Praxis-Beispiel

Ablaufhemmung bei offenbarer Unrichtigkeit

Die Festsetzungsfrist wäre Ende des Jahres 00 abgelaufen. Im November 00 (Bekanntgabe am 13.11.) ist ein – erstmaliger oder geänderter – Einkommensteuerbescheid ergangen, in welchem im Januar 01 ein Fehler i. S. d. § 129 AO entdeckt wird. Der Fehler kann bis zum 13.11.01 berichtigt werden.

 
Praxis-Beispiel

Ablaufhemmung unerheblich

Die Steuererklärung für 00 wurde im Mai 02 abgegeben, die Steuer wurde mit Bescheid vom 15.9.02 festgesetzt. Im Januar 03 wird eine offenbare Unrichtigkeit entdeckt. Die Jahresfrist des § 171 Abs. 2 AO ist unerheblich, da die Festsetzungsfrist sowieso erst Ende 06 abläuft.

Für die Beurteilung des Ablaufs der Festsetzungsfrist bleibt der Bescheid, bei dessen Erlass die offenbare Unrichtigkeit unterlaufen ist, auch dann alleiniger Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Jahresfrist, wenn sich das Versehen in mehreren nachfolgenden Änderungsbescheiden (durch Übernahme) wiederholt hat.[2]

 
Praxis-Beispiel

Ablaufhemmung bei nachfolgenden Änderungsbescheiden

Die Einkommensteuer für 00 wurde aufgrund der im Jahr 01 abgegebenen Einkommensteuererklärung mit Bescheid vom 15.9.01 festgesetzt. Die Festsetzungsfrist läuft somit Ende 05 ab. Am 13.11.05 erging ein Änderungsbescheid. Im Januar 06 wird ein Fehler i. S. d. § 129 AO entdeckt, der bereits im Erstbescheid vom 15.9.01 enthalten war und im Änderungsbescheid vom 13.11.05 übernommen wurde. Für die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 2 AO kommt es auf den Erstbescheid an. Die Jahresfrist wirkte sich hier nicht aus, da die Festsetzungsfrist ohnedies bis Ende 05 bemessen war. Mit demselben Fehler im Änderungsbescheid vom 13.11.05 beginnt die Jahresfrist des § 171 Abs. 2 AO nicht nochmals zu laufen. Eine Berichtigung im Jahre 06 ist daher nicht mehr zulässig.

1.4.2 Ablaufhemmung bei Rechtsbehelf oder Festsetzungs- bzw. Korrekturantrag

Zulässige Rechtsbehelfe (Einspruch, Klage) gegen Steuerbescheide verlängern gem. § 171 Abs. 3a AO die Festsetzungsfrist bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über sie. Das Gleiche gilt gem. § 171 Abs. 3 AO für Anträge auf Steuerfestsetzung und für Anträge auf Aufhebung, Änderung oder Berichtigung von Steuerbescheiden. Die Regelungen sollen verhindern, dass sich vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegte Rechtsbehelfe bzw. Festsetzungs- und Korrekturanträge durch Untätigkeit des Finanzamts einfach erledigen.

 
Praxis-Beispiel

Ablaufhemmung bei Einspruch

Die Festsetzungsfrist für eine Einkommensteuer endet mit Ablauf des Jahres 00. Am 12.11.00 ergeht ein Erst- oder Änderungsbescheid. Hiergegen wird Einspruch eingelegt, über den erst im Jahre 01 zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden wird. Dies ist möglich. Das Gleiche gilt, wenn der Erst- oder Änderungsbescheid im Dezember 00 ergeht und Einspruch (rechtzeitig) im Januar 01 eingelegt wird.[1] Wird der Einspruch zurückgewiesen und daraufhin Klage erhoben, bleibt der Ablauf der Festsetzungsfrist weiterhin gehemmt, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist.

 
Praxis-Beispiel

Keine Ablaufhemmung bei Anfechtung eines unwirksamen Bescheids

Sachverhalt wie im vorherigen Beispiel.

Während des Einspruchsverfahrens stellt sich im Jahr 01 heraus, dass der Bescheid vom 12.11.00 unwirksam ist. Die Anfechtung eines unwirksamen (nichtigen) Bescheids hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht.[2] Es bleibt somit im Ergebnis bei der Nicht- oder Erstfestsetzung der Einkommensteuer.

Der Ablaufhemmungsvorschrift des § 171 Abs. 3 AO kommt bei Anträgen des Steuerpflichtigen auf Korrektur eines Steuerbescheids nach den §§ 129, 164, 165 und 172 ff. AO große Bedeutung zu.[3]

 
Praxis-Beispiel

Ablaufhemmung bei Antrag auf Änderung eines Vorbehaltsbescheids

Das Finanzamt erlässt gegenüber S für das Jahr 01 am 1.8.02 einen gem. § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden ESt-Bescheid. Die Festsetzungsfrist endet mit Ablauf des Jahres 06. S reicht im Dezember 06 Belege über bisher noch nicht geltend gemachte Werbungskosten ein und beantragt gem. § 164 Abs. 2 AO die Änderung seines Bescheids. Der Antrag löst insoweit die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO aus. Sie endet erst mit der Unanfechtbarkeit des ausstehenden Änderungsbescheids, egal zu welchem Zeitpunkt das Finanzamt diesen erlässt.

Ein Antrag i. S. d. § 171 Abs. 3 AO liegt auch in den Fällen vor, in d...

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