Leitsatz
Für die Feststellung einer Steuerhinterziehung reicht es nicht aus, wenn diese mit Wahrscheinlichkeitserwägungen dargelegt wird.
Sachverhalt
Der Sachverhalt ist im Urteil nicht abgedruckt. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich aber, dass die Finanzverwaltung Mitarbeiter eines Kreditinstituts wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung aufgrund der Hilfeleistungen im Zusammenhang mit einem Geldtransfer ins Ausland in Haftung genommen hat. Die Besonderheit des Falls lag darin, dass hier eine Haftung für quasi eine potenzielle Steuer erfolgte, da die Steuerpflichtigen (hier 1.149 Personen) nicht persönlich ermittelt werden konnten. Die Finanzverwaltung nahm gleichwohl eine Haftung nach § 70 AO an, da in Parallelfällen rund 94 % der Personen, die Geld ins Ausland transferiert hatten, auch Steuern hinterzogen hätten. Insofern sei es wahrscheinlich, dass auch bei den nicht zu ermittelnden Kunden eine Steuerhinterziehung gegeben sei. Gegen diese Haftungsinanspruchnahme wandten sich die Kläger.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage in vollem Umfang statt. Es sei - so das FG Düsseldorf - nicht möglich, das Vorliegen einer Steuerhinterziehung anhand von Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln. Vielmehr müsse diese im jeweiligen Einzelfall nachgewiesen werden. Auch die Tatsache, dass bekannt sei, dass in vielen Fällen eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung geschehen sei, und auch strafrechtliche Verurteilungen erfolgt seinen, führe nicht dazu, dass eine Beweiserleichterung anzunehmen sei. Im Rahmen des § 70 AO trage die Finanzverwaltung die Beweislast. Den Beweis für eine Steuerhinterziehung habe die Finanzverwaltung nicht geführt.
Hinweis
Die Entscheidung ist in vollem Umfang zu begrüßen. Es kann nicht zutreffend sein, dass der "Beweis für eine Steuerhinterziehung" anhand von Wahrscheinlichkeiten geführt werden darf. Vielmehr erscheint das Vorbringen der Finanzverwaltung rechtsstaatlich höchst bedenklich. Wenn dieses Gedankengut Schule machen würden, liegt ein "Verdachtsstrafrecht bzw. hier ein Verdachtsverfahrensrecht" nahe, bei dem quasi der Verdächtige nachzuweisen hat, dass er unschuldig ist. Dies widerspricht fundamental dem Rechtsstaatsgedanken. Zutreffend führt das Gericht zudem aus, dass eine Überzeugungsbildung für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung aufgrund von Wahrscheinlichkeitsaussagen zu weitreichenden Feststellungserleichterungen für die Finanzverwaltung führt. Denn wie sollte hier der in Haftung in Anspruch genommene den Beweis des Gegenteils führen können?
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision zum BFH zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 18.02.2010, 8 K 4290/06 H