Leitsatz
Liegt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine bestandskräftige Steuerfestsetzung und damit ein Schuldtitel i.S.d. § 179 Abs. 2 InsO vor, ist das FA im Fall des Bestreitens der Forderung durch den Insolvenzverwalter berechtigt, das Bestehen der angemeldeten Forderung durch Bescheid festzustellen, wenn der Insolvenzverwalter seinen Widerspruch auf die von ihm behauptete Unwirksamkeit der Forderungsanmeldung stützt (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 23.02.2005, VII R 63/03, BFH/NV 2005, 1406, BFH/PR 2005, 382).
Normenkette
§ 251 Abs. 3, § 29, § 26 AO, § 179 Abs. 2, § 185 InsO
Sachverhalt
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH, für die beim FA J eine nicht zustimmungspflichtige USt-Jahreserklärung 2004 abgegeben worden war, war zunächst davon ausgegangen, dass sich die Geschäftsleitung der GmbH seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Kläger befand und sich hieraus die örtliche Zuständigkeit eines anderen, später beklagten FA ergab. Jedoch meldete das FA J bei dem betreffenden Verwalter die USt-Forderung 2004 zur Insolvenztabelle an. Dieser bestritt die angemeldete Forderung. Als das vorgenannte FA ihn darauf hinwies, dass die USt 2004 bestandskräftig festgesetzt sei und er darauf erwiderte, ihm liege eine Forderungsanmeldung des FA nicht vor, falls das FA die Abgabe beanspruche, möge es eine Forderungsanmeldung einreichen und das FA J veranlassen, seine Anmeldung zurückzunehmen, reichte das FA bei ihm eine Aufstellung der Steuerforderungen gegen die GmbH ein.
Das veranlasste den Verwalter indes nicht zur Rücknahme seines Widerspruchs, weshalb das FA einen Feststellungsbescheid erließ, in dem es das Bestehen der USt-Forderung 2004 und der Säumniszuschläge hierzu als Insolvenzforderung feststellte. Gegen diesen Bescheid erhob der Verwalter Klage (Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.08.2007, 16 K 470/06, Haufe-Index 1849614, EFG 2008, 186).
Entscheidung
Die Klage ist unbegründet. Die Forderung ist wirksam angemeldet worden, und dies darf durch Bescheid nach § 251 Abs. 3 AO gegenüber dem Insolvenzverwalter festgestellt werden.
Hinweis
Im Insolvenzverfahren sind auch Steuerforderungen nach den Vorschriften der InsO geltend zu machen. Sie sind also als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) gem. § 174 InsO beim Insolvenzverwalter zur Eintragung in die Tabelle (§ 175 InsO) und zur Prüfung (§ 176 InsO) mit dem Ziel der Feststellung (§ 178 InsO) anzumelden. Sie gelten als festgestellt, wenn weder der Insolvenzverwalter noch ein Insolvenzgläubiger Widerspruch erhebt. Werden sie hingegen bestritten, hat das FA gem. § 179 Abs. 1 InsO die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben, was nach § 251 AO durch Erlass eines Feststellungsbescheids geschieht. Liegt für die Forderung indes bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, obliegt es nach § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen.
Die Betreibenspflicht des Widersprechenden bedeutet aber nicht, dass das FA gehindert ist, seinerseits die Feststellung seiner Forderung zu verfolgen. Bei einem Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen einen bestandskräftigen Steuerbescheid kann also ein Feststellungsbescheid ergehen, um die Teilnahme der Steuerforderung an der Verteilung zu sichern und die durch das Bestreiten verursachte Ungewissheit über das Teilnahmerecht zu beseitigen.
Ist hingegen ein Steuerbescheid vor Verfahrenseröffnung nicht bestandskräftig geworden, darf kein Feststellungsbescheid ergehen, der die Steuerforderung ja ein zweites Mal titulieren würde; es ist vielmehr das zunächst unterbrochene Rechtsbehelfsverfahren wiederaufzunehmen, wozu auch das FA befugt ist.
Nach § 29 AO ist bei Gefahr im Verzug für unaufschiebbare Maßnahmen jede Finanzbehörde örtlich zuständig. Das soll nach der Besprechungsentscheidung auch dann gelten, wenn das AG zur Abgabe der Forderungsanmeldung aufgefordert hat, weil die Gefahr einer verspäteten Forderungsanmeldung bestehe.
Beachten Sie aber auch die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 127 AO auf Anmeldungen nach § 174 InsO und seit 2008 die Zuständigkeitsregelung für Insolvenzfälle nach § 26 S. 3 AO.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.02.2010 – VII R 48/07