rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbststudium zur Vorbereitung auf die Ablegung des Abiturs im Wege der Schulfremdenprüfung als Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist auch ein Selbststudium, das auf ein bestimmtes Ausbildungsziel gerichtet ist und mit einer staatlichen Prüfung abschließt. Einer schulischen Einbindung oder einer schulischen Mindestorganisation bedarf es nur dann, wenn andernfalls nicht sichergestellt ist, ob überhaupt eine Ausbildung stattfindet.
2. Die Zeit, während der sich ein volljähriges Kind im Wege des Selbststudiums auf die Schulfremdenprüfung zum Erwerb des Abiturzeugnisses vorbereitet, ist als Zeit der Berufsausbildung anzusehen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin für ihren Sohn während der Zeit der privaten Vorbereitung auf das Abitur im Wege des Selbststudiums Kindergeld zu gewähren ist.
Der am 31. August 1979 geborene Sohn der Klägerin, M. – M –, besuchte im Schuljahr 1999/2000 die Jahrgangsstufe 13 des F.-Gymnasiums in F. Wegen erheblicher krankheitsbedingter Fehlzeiten wurde er – zum zweiten Male – nicht zum Abitur zugelassen. Die Nichtzulassung wurde damit begründet, dass eine Leistungsbeurteilung wegen der Fehlzeiten nicht möglich gewesen sei.
Gegen den Nichtzulassungsbescheid erhob M Klage vor dem Verwaltungsgericht F. Im Verlauf des Klageverfahrens schlossen M sowie das Land Baden-Württemberg als Beklagter, vertreten durch das Oberschulamt, einen Vergleich. Danach verpflichtete sich das Land, M zur Abitursprüfung für Schuldfremde im Jahr 2001 zuzulassen, falls dieser bis spätestens 01. Dezember 2000 einen den Anforderungen des § 35 Abs. 2 der Verordnung des Ministeriums über die Jahrgangsstufen 12 und 13 sowie die Abiturprüfung an Gymnasien der Normalform und Gymnasien in Aufbauform mit Heim (NGVO) genügenden Antrag stellt (Niederschrift vom 13. Oktober 2000).
Unter Hinweis darauf, dass M eine Ausbildung aufnehmen wolle und bei der Berufsberatung des Arbeitsamtes F. gemeldet sei, hatte die Klägerin zwischenzeitlich am 09. Oktober 2000 den Antrag auf Weitergewährung von Kindergeld ab August 2000 gestellt. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2000 lehnte das Arbeitsamt die Gewährung von Kindergeld ab und setzte dieses auf 0 DM fest. Zur Begründung führte es aus, dass eine Berücksichtigung eines arbeitslosen Kindes, das der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe, nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres möglich sei.
Der Einspruch, mit dem die Klägerin nunmehr geltend machte, dass M das Schulfremdenabitur im Juni 2001 ablegen wollte, blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2000 vertrat das beklagte Arbeitsamt die Auffassung, dass, soweit die Dauer und Intensität des Ausbildungsganges im Wesentlichen von der Entscheidung und Selbstverantwortung des Schülers abhänge, eine Ausbildung im steuerrechtlichen Sinne nicht vorliege. Die private Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für eine höhere Klasse oder die Nichtschülerreifeprüfung sei keine Ausbildung im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil es an der Einbindung in eine schulische Mindestorganisation fehle.
Hiergegen richtet sich die am 19. Dezember 2000 bei Gericht eingegangene Klage, mit der die Klägerin vorträgt, dass der Antrag auf Teilnahme am Schulfremdenabitur rechtzeitig gestellt und die Zulassung zum Schulfremdenabitur bereits erteilt worden sei. Ihr Sohn bereite sich seit Mitte Oktober intensiv auf die Abitursprüfung vor. Diese umfasse eine schriftliche und mündliche Prüfung in vier Fächern und eine mündliche Prüfung in weiteren vier Fächern. Geprüft werde der gesamte Lehrstoff der Jahrgangsstufen 12 und 13. Die schriftlichen Prüfungen seien für April 2001, die mündlichen Prüfungen für Juni 2001 vorgesehen. Aus all dem ergebe sich, dass die Vorbereitung erheblich schwieriger sei und der Lernaufwand erheblich höher, als beim Besuch einer Schule. M lerne täglich mindestens fünf bis sechs Stunden. Er werde hierbei von ihr als Oberstudienrätin sowie von seiner Tante und seinem Onkel, die als Studiendirektoren tätig seien, unterrichtet. Darüber hinaus schreibe M ab Januar 2001 Übungsklausuren am … U. Gymnasium.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsamtes liege bei dieser Konstellation sehr wohl eine Ausbildung im steuerrechtlichen Sinne vor.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 26. Oktober 2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 20. November 2000 aufzuheben und das beklagte Arbeitsamt zu verpflichten, ihr ab August 2000 für ihren Sohn M. weiterhin Kindergeld zu gewähren.
Das Arbeitsamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend führt es aus, Voraussetzung für die Gewährung von Kindergeld sei, da M das 21. Lebensjahr vollendet habe, gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG, die Ausbildung für einen Beruf. Eine Schulausbildung liege im Streitfall jedoch nicht vor. Eine solche sei nur dann gegeben, wenn die Ein...