Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Umsatzsteuersatz bei Krankenfahrten
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob von einem nicht personenbeförderungsberechtigten Unternehmer gegenüber den Krankenkassen abgerechnete Krankenfahrten, die nicht von dem Unternehmer selbst sondern von konzessionierten Taxiunternehmern erbracht werden, dem vollen und nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 10b UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
2. Die Steuerbegünstigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10b UStG kann nicht bereits deshalb versagt werden, weil die Krankenfahrten nicht von einem Taxistand aus angetreten werden und die Beförderungsaufträge nur am Betriebssitz des nicht personenbeförderungsberechtigten Unternehmers entgegen genommen werden.
3. Die der Besteuerung zugrunde gelegten Umsätze sind auch keine bloßen Vermittlungsleistungen, die dem vollen Steuersatz unterliegen würden (vgl. BFH, Beschluss v. 18.04.2007, V B 157/05, BFH/NV 2007, 1544). Mit dem Rahmenvertrag hat sich die Steuerpflichtige gegenüber den Krankenkassen zur Beförderung von Versicherten für ein festgelegtes Entgelt verpflichtet. Diese Leistung hat sie in eigenem Namen und auf eigene Rechnung gegenüber den Krankenkassen abgerechnet.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 10b; EWGRL 388/77 Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 3; PBefG § 47 Abs. 1, § 51 Abs. 2; SGB V §§ 60, 133, 71 Abs. 1, 3, § 12; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2006 vom 4.9.2008 wird i.H.v. 17.076,59 EUR, des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für den Monat Dezember 2007 vom 15.9.2008 i.H.v. 151.561,04 EUR, des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für den Monat Januar 2008 vom 8.1.2009 i.H.v. 17.805,85 EUR, des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für den Monat Februar 2008 vom 8.1.2009 i.H.v. 12.622,72 EUR, des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für den Monat März 2008 vom 8.1.2009 i.H.v. 15.727,71 EUR, des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für das II. Kalenderjahr 2008 vom 8.1.2009 i.H.v. 31.328,14 EUR und des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für das III. Kalenderjahr vom 8.1.2009 i.H.v. 29.809,78 EUR ausgesetzt und die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufgehoben.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin lässt im X-Raum durch Taxi- und Mietwagenunternehmen Krankenfahrten für gesetzlich Versicherte durchführen. Sie hat mit verschiedenen Krankenkassen am 1. Juni 2006 einen Rahmenvertrag über die Durchführung und Vergütung von Krankenfahrten gemäß §§ 60, 133 SGB V im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes geschlossen. Darin hat sich die Antragstellerin verpflichtet, die Krankenfahrten zeit-, sach- und verkehrsgerecht zu disponieren und von den ihr angeschlossenen Taxi- bzw. Mietwagenunternehmen durchführen zu lassen (vgl. § 4 Abs. 1 des Rahmenvertrages auf dessen weitere Einzelregelungen verwiesen wird, Bl. 57 bis 69 d. Betriebsprüfungshandakte). Zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten gegenüber den Krankenversicherungen hat die Antragstellerin mit verschiedenen Taxi- und Mietwagenunternehmen Kooperationsverträge über die Vergabe, Durchführung und Vergütung von Krankenfahrten geschlossen (vgl. Bl. 70 bis 82 d. Betriebsprüfungshandakte). Nach § 3 Abs. 1 des Kooperationsvertrages verpflichtet sich die Antragstellerin die ihr erteilten Aufträge zur Durchführung von Krankenfahrten zu erfassen, planen, koordinieren und anschließend an die Kooperationspartner zu vergeben. Die beauftragen Krankenfahrten dürfen nur von Personen durchgeführt werden, die im Besitz einer gültigen Konzession nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und die Zulassung einer Krankenkasse oder Krankenkassenverbandes besitzen. Die Antragstellerin selbst besitzt keine Konzession nach dem Personenbeförderungsgesetz.
Die durchgeführten Krankenfahrten rechneten die jeweiligen Taxi- und Mietwagenunternehmen mit der Antragstellerin nach Maßgabe der mit ihr vereinbarten Entgelte ab (Preisvereinbarung zwischen dem Taxi- bzw. Mietwagenunternehmen und der Antragstellerin, Anlage 2 des Kooperationsvertrages, Bl. 79 ff. d. Betriebsprüfungshandakten). Die Taxiunternehmer wiesen für ihre gegenüber der Antragstellerin abgerechneten Leistungen den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG aus. Soweit Krankenfahrten mit Mietwagenunternehmen durchgeführt wurden, wurden die Umsätze dem Regelsteuersatz unterworfen. Die Antragstellerin rechnete die durchgeführten Krankenfahrten wiederum mit den Krankenkassen ab, mit denen ebenfalls eine detaillierte Vergütungsvereinbarung besteht, nach der in den Beförderungsentgelten die aktuelle gesetzliche Umsatzsteuer enthalten ist (vgl. § 2 Satz 5 der Vergütungsvereinbarung zwischen der Antragstellerin und den Krankenkassen, Anlage 1 des Rahmenvertrages, Bl. 64 ff. d. Betriebsprüfungshandakte). Die Abrechnungen der Antragstellerin gegenüber den Krankenversicherungen wiesen ebenfalls den ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr...