Entscheidungsstichwort (Thema)

einstweiliger Anordnung (Zwangsvollstreckung)

 

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob und in welchem Umfang gegen Forderungspfändungen des Finanzamts (FA) einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren ist.

Der 37jährige ledige Antragsteller (Ast.) betreibt seit Juni 1983 ein Kleintransportunternehmen (insbesondere Paketschnelldienst) in …. Derzeit unterhält er drei „geleaste” Transportfahrzeuge und beschäftigt zwei Fahrer. Hauptauftraggeber des Ast. ist die Firma x-GmbH in … (monatlicher Bruttoumsatz nach Angaben des Ast. 10.830 DM). Ferner führt der Ast. Transportleistungen für eine Firma … aus (monatlicher durchschnittlicher Bruttoumsatz nach Angaben des Ast. 2.800 DM).

Nachdem der Ast. seit Mitte 1989 mit laufenden Lohnsteuern (LSt) und Umsatzsteuern (USt) in Rückstand geraten war und Mitte März 1990 aus der erst am 07. Februar 1990 eingereichten Einkommensteuer(ESt)-Erklärung 1987 eine Nachzahlung in Höhe von rd. 36.500 DM (einschließlich Kirchensteuer –KiSt–)fällig geworden war, pfändete das FA die Forderungen des Ast. gegenüber der Firma x-GmbH wegen der folgenden Steuerrückstände:

Am 15.02.1990 wegen

18.462,09 DM

am 22.05.1990 wegen

41.107,68 DM

am 19.06.1990 wegen

9.728,30 DM

am 13.08.1990 wegen

17.104,10 DM

Summe der Pfändungsbeträge

86.402,17 DM.

Hierauf wurden nach Auskunft des FA von der Firma x-GmbH bisher 59.569,70 DM an das FA abgeführt. Die Pfändungsverfügungen sind derzeit noch mit 19.866,14 DM valutiert. Die Steuerrückstände des Ast. belaufen sich z.Zt. auf rd. 27.000 DM.

Mit Schreiben vom 12. September 1990, auf das wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, beantragte der Prozeßbevollmächtigte des Ast. beim FA, die Pfändungen insoweit aufzuheben, daß dem Ast. ein pfändungsfreier Betrag gem. §§ 850 ff. Zivilprozeßordnung (ZPO) verbleibe. Das FA lehnte diesen Antrag durch Verfügung vom 09. Oktober 1990 ab.

Der Prozeßbevollmächtigte des Ast. beantragte daraufhin mit Schreiben vom 22. Oktober 1990 beim erkennenden Senat den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung, das vom Ast. unterhaltene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … sei mit einem Fahrer für eine bestimmte Tour eingeteilt und fahre monatlich bei der Firma x-GmbH einen Betrag von 10.830 DM (incl. USt) ein. Für dieses Fahrzeug entstünden einschließlich Fahrer monatliche Kosten in Höhe von 8.416,37 DM. Das FA pfände den Umsatz des Ast. jenseits der Grenzen des § 850 ZPO. Dies sei unzulässig. Aus einer vor seinem Prozeßbevollmächtigten abgegebenen eidesstattlichen Versicherung des Ast., auf die Bezug genommen wird, ergäben sich monatliche Einnahmen des Ast. in Höhe von 13.630 DM und monatliche Ausgaben in Höhe von 14.002,64 DM. Da somit kein Monatseinkommen verbleibe, ergäbe sich nach der Tabelle zu § 850 ZPO ein monatlich pfändbarer Betrag von 0 DM. Dies stehe im krassen Widerspruch zur tatsächlich gepfändeten Summe. Die Art und Weise der Pfändung führe zwangsläufig zum Bankrott des Ast. Dessen Vermögen belaufe sich auf 0 DM. Neben Steuerrückständen habe er die folgenden Verbindlichkeiten:

AOK

9.900,– DM

Leasing-Raten

9.374,– DM

Haftpflicht Kfz

4.978,60 DM

Rechtsschutz

290,– DM

Rechtsanwalt

570,– DM

Firma Z.

8.000,– DM

Berufsgenossenschaft

5.997,70 DM

Steuerberater

4.000,– DM

198.110,30 DM

Entgegen der Auffassung des FA seien die Pfändungsvorschriften der ZPO nicht nur auf Arbeitnehmereinkommen anwendbar. Auch der Selbständige benötige einen Pfändungsschutz zur Sicherung seines notwendigen Bedarfs. Es sei nicht ersichtlich, warum der Selbständige schlechter gestellt werden solle als der abhängige Arbeitnehmer.

Fürsorglich werde der Antrag auf die Billigkeitsregelung des § 258 Abgabenordnung (AO) gestützt. Es entspreche nicht der Billigkeit, wenn das FA durch seine Pfändung eine Situation schaffe, in der der Steuerschuldner mehr Geld monatlich aufwenden müsse, um den Pfändungsbetrag einzubringen, als er überhaupt verdiene. Das FA könne sich nicht darauf berufen, daß es nur die Forderungen gegenüber der Firma X-GmbH nicht aber auch die anderen Forderungen des Ast. gepfändet habe. Es sei glaubhaft gemacht worden, daß auch die anderen Touren nicht zu einem Übererlös oder einem Einkommen des Ast. führten. Der Ast. lege monatlich zu, um die Touren zu fahren, die das FA pfände. Das könne nicht richtig sein. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe vor kurzem bei der Besteuerung festgestellt, daß das Existenzminimum des Einzelnen erhalten bleiben müsse. Was für Familien gelte, müsse ebenso für einen selbständigen Steuerschuldner gelten. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Prozeßbevollmächtigten des Ast. vom 22. Oktober 1990 und vom 05. November 1990 Bezug genommen.

Der Ast. beantragt,

die Zwangsvollstreckung des FA … aus den Pfändungsverfügungen vom 15. Februar 1990, 22. Mai 1990 und 19. Juni 1990 einstweilen einzustellen;

hilfsweise:

Die Zwangsvollstreckung aus den Pfändungsverfügungen insoweit einz...

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