Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen einer Dentalhygienikerin
Leitsatz (redaktionell)
In den Praxen von Zahnärzten erbrachte Leistungen einer selbstständigen Dentalhygienikerin sind unter Berücksichtigung von Art. 13 der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie und der hierzu ergangenen EuGH-Rechtsprechung auch dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit, wenn sie über keine Kassenzulassung verfügt. Ob die Leistung über die Zahnärzte oder unmittelbar von der Dentalhygienikerin gegenüber den Patienten abgerechnet wird, ist für die Steuerbefreiung unerheblich.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14 S. 1; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b, c; EStG § 18 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Umsatzsteuerbescheid für 1999 vom 25.09.2001 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 09.09.2002 werden geändert; die Umsatzsteuer für 1999 wird auf 0,00 DM festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.
3. Die Hinzuziehung eine Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Umsätze aus der Tätigkeit als Dentalhygienikerin nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes –UStG– umsatzsteuerbefreit sind.
Die am 14.11.1969 geborene Klägerin ließ sich in den Jahren 1986 bis 1989 zur Zahnarzthelferin ausbilden. Durch Berufsfortbildung erreichte sie Ende 1996 die Stufe der Zahnmedizinischen Fachhelferin (ZMF) am ZFZ (Zahnmedizinisches Fortbildungszentrum) in … Im Jahr 1999 absolvierte sie schließlich die Aufstiegsfortbildung zur Dentalhygienikerin (Dentalhygienikerin) am ZFZ in …
Seit 01.10.1999 erzielt die Klägerin Umsätze aus der Tätigkeit als Dentalhygienikerin in Kooperation mit verschiedenen Zahnarztpraxen. Die Klägerin besitzt keine Kassenzulassung.
Ihre Tätigkeit führt sie vorwiegend an Patienten der betreffenden Zahnärzte in deren Zahnarztpraxen aus. Auch wird eine Behandlung von diesen Zahnärzten angeordnet bzw. vorgeschlagen. Die Behandlungstermine werden von der Klägerin hinsichtlich der Zeit frei terminiert. Sie bedient sich allerdings der jeweiligen Praxisorganisation um Behandlungszimmer für den von ihr gewünschten Zeitkorridor zur Verfügung gestellt zu bekommen. Sie ist darüber hinaus an keinerlei Weisungen der Zahnärzte gebunden. Die Patientenauswahl wird zusammen mit dem jeweiligen Zahnarzt getroffen. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Behandlung fragen die Zahnärzte bei der Klägerin an. Die Klägerin ist aufgrund der Absprachen mit den Zahnärzten nicht nur berechtigt die Praxisräume, sondern auch die Praxiseinrichtung (Wartezimmer, technische Geräte) zu nutzen.
Ihre Tätigkeit als Dentalhygienikerin umschreibt die Klägerin wie folgt: Sie führt im Rahmen ihrer Tätigkeit sowohl präventive Maßnahmen (Prophylaxebehandlungen) als auch normale Behandlungen von Parodontopathien durch. Alle Maßnahmen werden von ihr aufgrund der Ausbildung direkt am Patienten und ohne ärztliche Aufsicht durchgeführt. Hierzu gehören:
Analyse und Befundermittlung am Patienten
- Analyse des Erkrankungsgrades bei kariöser Zerstörung der Zähne und des Knochenabbaus. Hierbei obliege der Dentalhygienikerin die Messung des Erkrankungsgrades und die Ermittlung des Befundes.
- Analyse der Hygienesituation im Mundraum (Feststellung des Entzündungsgrades) anhand von Mundhygiene- und Blutungsindizes
- Ernährungsanalyse (Amneseerhebung) zur Ermittlung kariesfördernder Ernährungsgewohnheiten
Beratung der Patienten
- Beratung und Kenntnisvermittlung über die Grundlagen der Karies- und Parodonopathien
- Beratung und Informationsvermittlung zur Verbesserung der Mundhygiene
Im Rahmen der praktischen Tätigkeit führe die Dentalhygienikerin folgende Maßnahmen am Patienten durch:
- Speicheluntersuchungen zur Bestimmung des Karies- und Parodontitisrisikos
- Supra- und subgingivale Zahnsteinentfernung mit Ultraschallgeräten und Handinstrumenten
- Entfernung mikrobieller Plaque
- Beseitigung störender Füllungsränder und anderer scharfer Kanten
- Versiegelung kariesfreier Fissuren
- Anwendung von Präparaten zur Verringerung der Anzahl und der Stoffwechselaktivität pathogener Keime
Die Abrechnung seitens der Klägerin erfolgt direkt gegenüber dem jeweiligen Zahnarzt. Dieser rechnet anschließend mit der gesetzlichen Krankenkasse bzw. der privaten Krankenversicherung des jeweiligen Patienten ab. Grund ist, dass die Kostenträger eine direkte Abrechnung bisher nicht zugelassen haben. Die Nutzung von Wartezimmer, technischen Geräten sowie Praxisorganisation wird zwischen den Zahnärzten und der Klägerin durch einen prozentualer Einbehalt vom Abrechnungsbetrag gesondert abgerechnet.
Mit Schreiben vom 22.05.2000 an das beklagte Finanzamt – FA– beantragte die Klägerin eine verbindliche Auskunft zur umsatzsteuerlichen Behandlung als selbstständig tätige Dentalhygienikerin. Hierauf teilte das FA mit Schreiben vom 30.08.2000 mit, dass eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 USt...