Entscheidungsstichwort (Thema)
Drei-Tages-Zugangsvermutung bei Einsortierung einer Einspruchsentscheidung in das Postfach eines bevollmächtigten Rechtsanwalts am Wochenende
Leitsatz (redaktionell)
Die Vermutung, dass ein durch einfachen Brief zur Post gegebener Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt, greift auch dann ein, wenn das Schreiben an einem Samstag oder Sonntag in das Postfach eines Prozessbevollmächtigten eingelegt wird, dessen Büro an diesen Tagen nicht besetzt ist und eine Leerung des Postfachs somit nicht erfolgen kann.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht, ob die Klage rechtzeitig erhoben worden ist und materiell-rechtlich, ob bei den anteiligen Vermietungseinkünften höhere (Sonder–) Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
Der Kläger und seine frühere Ehefrau waren in den Streitjahren 1992 und 1993 Miteigentümer zu je 1/2 des bebauten Grundstücks .... Im Verfahren zur Aufhebung der Gemeinschaft wurde dem Kläger durch Beschluß des Amtsgerichts ... vom 14. März 1994 ... das Alleineigentum an dem Grundstück zugeschlagen. Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 1992 die getrennte Veranlagung und erklärte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abweichend von seinem Miteigentumsanteil für das Grundstück ... ... die gesamten Mieteinnahmen abzüglich sämtlicher laufender Aufwendungen einschließlich der Absetzungen für Abnutzung (AfA).
Im Anschluß an eine von November 1993 bis April 1994 beim Kläger durchgeführte abgekürzte Außenprüfung erkannte das beklagte Finanzamt (FA) in dem Feststellungsbescheid vom 18. August 1994 von dem erklärten Verlust i.H.v. 61.500 DM lediglich einen solchen i.H.v. 40.977 DM an und rechnete diesen i.H.v. 37.344 DM dem Kläger, i.H.v. 3.633 DM dessen früherer Ehefrau zu. Bei dem Verlustanteil der Ehefrau handelt es sich um anteilige (50 v.H.) AfA nach § 7 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) für den vermieteten Gebäudeteil. Für die vom Kläger selbstgenutzte Dachgeschoßwohnung wurden die erklärten Einkünfte nicht berücksichtigt. Der Bescheid wurde beiden Feststellungsbeteiligten bekanntgegeben. In der Einkommensteuererklärung 1993 ermittelte der Kläger ebenfalls einen Verlust aus dem Grundstück i.H.v. 42.508 DM. Im Bescheid vom 18. August 1994 stellte das FA auf der Grundlage des Ergebnisses der Außenprüfung für die Gemeinschaft für das Jahr 1993 einen Verlust i.H.v. 28.573 DM fest, von welchem es dem Kläger 24.940 DM, seiner früheren Ehefrau wie im Vorjahr 3.633 DM anteilige Gebäude AfA zurechnete.
Mit dem gegen die Feststellungsbescheide am 15. September 1994 eingelegten Einspruch machte der Kläger für seinen Miteigentumsanteil höhere Werbungskosten – AfA gemäß §§ 7 Abs. 4, 7 c EStG – von 7.404,84 DM sowie einen ebenfalls ihm allein zuzurechnenden Verlust aus der selbstgenutzten Dachgeschoßwohnung geltend. Durch Änderungsbescheide gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 a Abgabenordnung (AO) vom 15. September 1998 half das FA dem Einspruch teilweise ab und stellte für den Kläger nach Berücksichtigung von AfA gemäß § 7 c EStG höhere Verlustanteile fest, und zwar für 1992 i.H.v. 42.501 DM sowie für 1993 i.H.v. 30.097 DM. Die Verlustanteile der Ehefrau erfuhren in den Teilabhilfebescheiden keine Änderung, in der Entscheidung, mit der das FA den noch nicht erledigten Teil des Einspruchs als unbegründet zurückwies, lehnte es weiterhin eine Fortführung der Nutzungswertbesteuerung für die vom Kläger selbstgenutzte Wohnung sowie die Berücksichtigung einer höheren AfA nach § 7 c EStG ab. Nach Aktenlage wurde die Einspruchsentscheidung am 10. Juni 1999 von der Kanzlei ausgefertigt und am gleichen Tag der Poststelle der Behörde zum Versand übergeben. Der Mitarbeiter der Poststelle brachte auf der bei den Akten befindlichen Unterschrift der Einspruchsentscheidung den Absendevermerk „10.06.1999” sowie sein Namenszeichen an. Die in der Poststelle kuvertierte Post wird täglich nach Ende der regelmäßigen Dienstzeit (Kernarbeitszeit) vom Hausmeister zur Post aufgegeben. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers unter dessen Büroanschrift mit einfachem Brief übersandt.
Der Prozeßbevollmächtigte hat am 14. Juli 1999 per Telefax mit auf diesen Tag datiertem Schriftsatz namens des Klägers Klage erhoben. Auf Rüge des FA, die Klage sei verspätet erhoben, hat der Prozeßvertreter vorgetragen, die Einreichung der Klage am 14. Juli 1999 sei fristgerecht. Denn nach dem in seinem Büro auf der Einspruchsentscheidung angebrachten Eingangsstempel sowie dem geführten Posteingangsbuch sei die Einspruchsentscheidung bei ihm erst am Montag, dem 14. Juni 1999, eingegangen. Da das Büro an Samstagen und Sonntagen nicht besetzt sei, gebe es keinen Posteingangsvermerk von diesen Tagen. An Tagen, an denen das Büro nicht besetzt sei, also an Samstagen, Sonntagen sowie Feiertagen, erhalte alle Post den Eingangsstempel des folgenden Bürotags, d. h. in der Regel des Montags. Es sei an Mo...