Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer während eines Insolvenzverfahrens unberechtigt an den Insolvenzverwalter ausgezahlten und zur Masse vereinnahmten Steuervergütung (hier: Eigenheimzulage) nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom früheren Insolvenzschuldner
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Wohnungseigentümers Eigenheimzulage an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder gezahlt worden, obwohl die Voraussetzungen zur Gewährung der Eigenheimzulage mangels Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorlagen, und hebt das FA nach Abschluss des Insolvenzverfahrens die Festsetzung der Eigenheimzulage nachträglich auf, so handelt es sich bei der unberechtigt an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder ausgezahlten Eigenheimzulage um eine Masseverbindlichkeit, die vom früheren Insolvenzschuldner zurückgefordert werden kann.
2. Der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder ist nicht Leistungsempfänger i. S. d. § 37 AO für eine Zahlung, für die er kraft Amts empfangsberechtigt war, denn er handelt nicht für eigene Rechnung, sondern als gesetzlicher Vertreter im Rahmen des Insolvenzverfahrens.
3. Nach Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens hat der vormalige Insolvenzschuldner als Träger der Insolvenzmasse für die Masseverbindlichkeiten grundsätzlich einzustehen und haftet auch für Masseverbindlichkeiten, die auf Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters in Ausübung seines Amtes beruhen.
4. Die Freigabe eines zuvor massezugehörigen Grundstücks bewirkt nicht auch die Freigabe an einem Anspruch auf Auszahlung der Eigenheimzulage. Der Anspruch auf Eigenheimzulage ist ein persönlicher Steuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners und wird durch die insolvenzrechtliche Freigabe des Grundstücks, für dessen Eigennutzung die Eigenheimzulage gewährt wird, nicht berührt.
Normenkette
EigZulG §§ 14, 15 Abs. 1 S. 1; AO § 37 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2; InsO § 35 Abs. 1, §§ 53, 55 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob während eines Insolvenzverfahrens –zu Unrecht– an den Insolvenzverwalter (Treuhänder) gezahlte Eigenheimzulage für 2011 nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner (Kläger) zurückgefordert werden kann.
Der –seit dem 10. Januar 2005 getrennt lebende– Kläger erwarb am 11. Februar 2005 für 115.000 EUR eine Eigentumswohnung in X, die er fortan zusammen mit seinen beiden Kindern B (geboren am xx.xx. 1983) und C (geboren am xx.xx. 1991) bewohnte. Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) setzte mit Bescheid vom 18. Mai 2005 Eigenheimzulage für die Jahre 2005 bis 2012 in Höhe von jährlich 1.950 EUR fest. Dabei berücksichtigte es das Kind C, nicht aber das Kind B, weil der Kläger für dieses Kind weder einen Kinderfreibetrag noch Kindergeld erhalte.
Das Amtsgericht X (Insolvenzgericht) eröffnete mit Beschluss vom 28. April 2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers und bestellte einen Treuhänder. Der Treuhänder zeigte am 15. Juni 2010 dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an und gab am gleichen Tag die Wohnung aus der Insolvenzmasse frei. In einem weiteren Schreiben vom 15. Juni 2010 teilte er dem Insolvenzgericht mit, der Kläger sei aus der Wohnung ausgezogen.
Der Kläger zog spätestens im Oktober 2010 aus der Wohnung aus und veräußerte diese am 18. Januar 2011. Die Veräußerungsmitteilung, die unter Nr. 6 zur Prüfung des Wegfalls der Eigenheimzulage auffordert, lag dem FA am 24. Februar 2011 vor.
Das FA teilte dem Treuhänder –ohne die Veräußerungsmitteilung zu beachten– mit Schreiben vom 31. März 2011 mit, der Kläger besitze ein Steuerguthaben (gemeint war die Eigenheimzulage für 2011) und bat um Mitteilung des Anderkontos, auf das der zu erstattende Betrag überwiesen werden solle. Im April 2011 überwies das FA die Eigenheimzulage für 2011 in Höhe von 1.950 EUR auf das vom Treuhänder benannte Anderkonto. Die Eigenheimzulage für 2011 ist der einzige vom Treuhänder für die Insolvenzmasse vereinnahmte Betrag. Er wurde für die Begleichung der Verfahrenskosten (Gerichtskosten und Treuhändervergütung) und zur Befriedigung der Insolvenzgläubigerin (Bank I) verwendet; ein Restbetrag von 479 EUR wurde einer Rückstellung zugeführt (Bericht des Treuhänders vom 16. Juli 2012).
Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 7. Juli 2011 nach rechtskräftiger Ankündigung der Restschuldbefreiung aufgehoben.
Das FA berücksichtigte mit geändertem Eigenheimzulagebescheid vom 16. Dezember 2011 das Kind C ab dem Jahr 2010 nicht mehr und setzte die Eigenheimzulage ab 2010 nunmehr auf 1.150 EUR fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 20. Dezember 2011 Einspruch ein und trug vor, sein Sohn C habe im Jahr 2010 noch bei ihm gelebt. Außerdem teilte er mit, er sei im Oktober 2010 aus der Wohnung ausgezogen und habe diese im Januar 2011 verkauft.
Daraufhin gewährte das FA mit Bescheid vom 5. Januar 2012 ...