Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Klage ohne Angabe der ladungsfähigen Anschrift des mit internationalem Haftbefehl gesuchten Klägers
Leitsatz (redaktionell)
Auf die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers kann bei Vertretung durch einen Prozeßbevollmächtigten im Interesse effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise verzichtet werden, wenn gegen den Kläger ein nicht vollstreckter internationaler Haftbefehl vorliegt und mit der Abweisung der Klage durch Prozeßurteil ein endgültiger Rechtsverlust verbunden wäre.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1; GG Art. 19 Abs. 4; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 105 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 80
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin (Klin), deren derzeitiger Aufenthaltsort dem Senat nicht bekannt ist, ist ... Seit dem ... 1978 betrieb sie - zunächst allein, ab dem ... 1995 gemeinsam mit ihrem Sohn ... - in der ... eine ... Bereits gegen die ursprünglichen Einkommensteuer(ESt)-Bescheide für die Jahre 1987 vom 8. März 1991, 1988 vom 8. März 1991, 1989 vom 26. März 1991, 1990 vom 8. März 1993, 1991 vom 3. Januar 1994, 1992 vom 13. Februar 1995 und 1993 vom 16. Januar 1996 hat die Klin Einsprüche eingelegt. Über diese Einsprüche, die jeweils innerhalb der Frist des § 355 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) beim Beklagten (Bekl) eingegangen sind, ist noch nicht entschieden.
In den Jahren 1996 bis 1998 wurde bei der Klin eine Steuerfahndungs(Steufa)-Prüfung durchgeführt, die u. a. die ESt- Festsetzungen für die Jahre 1987 - 1994 zum Gegenstand hatte. Am 15. März 1996 wurde gegen die Klin das Steuerstrafverfahren eingeleitet. Am 18. Dezember 1996 erließ das Amtsgericht ... einen Haftbefehl gegen die Klin. Am 27. Januar 1997 wurde schließlich ein internationaler Haftbefehl gegen sie erlassen. Die genannten Haftbefehle konnten bislang jedoch nicht vollstreckt werden.
Bereits am 4. Oktober 1996 ordnete der Bekl zur Sicherung von erwarteten Steuernachforderungen für die Jahre 1987 - 1994, die er auf ... DM bezifferte, den dinglichen Arrest in das Vermögen der Klin an. Gegen die Arrestanordnung, die durch die Eintragung von Arresthypotheken zu Lasten von zwei Grundstücken der Klin in ... und ... vollzogen wurde, erhob die Klin mit Schriftsatz vom 21. Oktober 1996 Anfechtungsklage (Az.: 4 K 376/96).
Am 3. Dezember 1996 erließ der Bekl ESt-Änderungsbescheide für die Jahre 1987 - 1993 und einen erstmaligen ESt-Bescheid für das Jahr 1994. Die Klin stellte daraufhin ihre Anfechtungsklage gegen die Arrestanordnung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage um und beantragte nunmehr festzustellen, daß die Arrestanordnung rechtswidrig gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 1998 beantragte sie festzustellen, daß die Arrestanordnung nichtig sei. Ihr Interesse an der begehrten Feststellung begründete sie mit der Absicht, wegen des durch den Vollzug der Arrestanordnung eingetretenen Schadens einen Schadensersatzprozeß gegen das beklagte Finanzamt (FA) anhängig zu machen.
Mit Schriftsatz vom 28. Februar 1998 erhob die Klin Klage (Az.: 4 K 75/98) mit dem Antrag, die Nichtigkeit der ESt-Bescheide für die Jahre 1987 - 1994 vom 3. Dezember 1996 festzustellen.
Am 23. Oktober 1997 erließ der Bekl einen erstmaligen - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden - ESt-Bescheid für das Jahr 1995. Gegen den genannten Bescheid legte die Klin Einspruch ein. Außerdem dehnte sie mit Schriftsatz vom 28. Februar 1998 ihr Feststellungsbegehren im Verfahren 4 K 75/98 auf den genannten ESt-Bescheid für das Jahr 1995 aus.
Am 7. September 1999 erließ der Bekl ESt-Änderungsbescheide für die Jahre 1987 - 1995. Die Klin beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 26. September 1999, die genannten Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens 4 K 75/98 zu machen und festzustellen, daß die genannten Bescheide "Nichtakte" seien.
In dem genannten Schriftsatz führte sie u. a. folgendes aus:
"Alle Steuerbescheide werden hiermit angefochten. Auch die neuen, geänderten Bescheide sind in hohem Maße rechts- und ermessensfehlerhaft. Daher erfolgt hiermit Anfechtung trotz Nichtigkeit."
Der Berichterstatter teilte dem Prozeßbevollmächtigten der Klin mit Schreiben vom 28. Januar 2000 mit, daß der Senat diese Ausführungen der Klin dahin interpretiere, daß sie hilfsweise (unter der prozessualen Bedingung, daß der Senat die Nichtigkeitsfeststellungsklage für unbegründet halten sollte) eine Anfechtungsklage erhoben habe, mit der sie die Aufhebung aller nach dem 15. März 1996 (= Zeitpunkt der Einleitung des Steuerstrafverfahrens) gegen sie ergangenen ESt-Bescheide für die Jahre 1987 - 1995 begehre. Weder die Klin selbst noch einer ihrer beiden Prozeßbevollmächtigten hat dieser Interpretation bisher widersprochen.
Nachdem der Berichterstatter in einem Erörterungstermin vom 20. Mai 1998 (zum Verfahren 4 K 75/98) unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 28. Januar 1997 VII R 33/96, BFH/NV 1997, 585) Zweifel an der Zulässigkeit der Klagen geäußert hatte, trug die Klin folgendes vor:
Die Zustellung der P...