rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte. Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. unentgeltliche Überlassung der Wohnung an ein Kind
Leitsatz (redaktionell)
1. In Fällen, in denen der Eigentümer eine Wohnung nicht selbst bewohnt, kann eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nur angenommen werden, wenn er die Wohnung einem Kind i. S. d. § 32 Abs. 1 bis 5 EStG überlässt.
2. Allein das tatsächliche Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihrem Kind reicht für die Annahme einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht aus.
3. Überschreitet das Kind die Altersgrenze des § 32 EStG, wird die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt, so dass der Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig ist.
4. Auch § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 2. Alternative EStG setzt im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren eine „ausschließliche”, im Sinne einer zusammenhängenden und ununterbrochenen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken voraus, die allerdings nicht die vollen drei Kalenderjahr umfassen muss.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sätze 3, 1, § 22 Nr. 2, § 32 Abs. 1-5
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt sind.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ihre 1986 geborene Tochter nahm im Jahr 2006 das Medizinstudium in X auf. Die Kläger kauften deshalb am 1. April 2008 eine Eigentumswohnung mit Pkw-Abstellplatz am Studienort zum Preis von insgesamt 44.000 EUR und überließen sie ihrer Tochter unentgeltlich zu Wohnzwecken. Nachdem die universitäre Ausbildung der Tochter im Dezember 2011 endete und diese ab Februar 2012 ihr praktisches Jahr am …Klinikum in Y begann, verkauften die Kläger am 13. Januar 2012 die Wohnung für 70.000 EUR. Im Kaufvertrag wurde vereinbart, dass dieÜbergabe der Wohnung zum 1. Februar 2012 an die Käuferin erfolgen sollte. In Ziffer 8 des Vertrages wurde ausgeführt, dass der Kaufgegenstand nicht vermietet, sondern von der Tochter der Verkäufer bewohnt sei. Der Verkäufer habe die Räumung des Vertragsgegenstands bis zum 31. Januar 2012 zu erwirken. Bereits am 17. November 2011 hatte die Tochter gemeinsam mit ihrem künftigen Ehemann eine Eigentumswohnung in Z gekauft. Die Übergabe dieser Wohnung fand am 29. Dezember 2011 statt. Die Tochter zog noch im Dezember 2011 von der bisherigen Wohnung in X in die neue Wohnung in Z um und ließ die von ihr nicht mehr benötigten Möbel (ein Bett, einen Schreibtisch, einen kleinen Esstisch, zwei Stühle, einen Kleiderschrank und eine Waschmaschine) zurück. Nachdem die Käuferin der X Wohnung nur die Waschmaschine übernahm, transportierte die Tochter die restlichen Möbel im Januar 2012 in die Wohnung ihrer Eltern. Den Kleiderschrank entsorgte sie. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die notariellen Kaufverträge vom 1. April 2008, vom 13. Januar 2012 und vom 17. November 2011 und die Erläuterungen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
In der Steuererklärung für das Streitjahr beantragten die Kläger u.a. in der „Anlage U” die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an ihre Tochter. Einen Gewinn aus der Veräußerung der Wohnung in X erklärten sie erst auf eine entsprechende Anfrage des beklagten Finanzamts A (FA). Den Gewinn bezifferten sie auf 26.000 EUR und erklärten, die Wohnung sei vom 1. April 2008 bis zum 31. Januar 2012 zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden. Im Einkommensteuerbescheid vom 26. Juli 2013 erfasste das FA einen Veräußerungsgewinn der Ehegatten gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG von jeweil 13.000 EUR. Außerdem berücksichtigte es antragsgemäßUnterhaltsaufwendungen für die Tochter gemäß § 33a Abs. 1 EStG in Höhe von 8.004 EUR.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 1. August 2013 form- und fristgerecht Einspruch beim FA ein, den das FA mit seiner Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2014 als unbegründet zurückwies. Das FA führte aus, der Veräußerungsgewinn sei steuerlich zu erfassen. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liege auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG habe, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlasse. Im Streitfall lägen diese Voraussetzungen jedoch nicht vor, weil die Tochter bereits im April 2011 das 25. Lebensjahr vollendet habe und daher ein Kinderfreibetrag nach § 32 EStG bzw. ein Anspruch auf Kindergeld ab diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ei...