rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer bei Betrieb eines hauptsächlich Strom und als Nebenprodukt Wärme erzeugenden Blockheizkraftwerks durch eine Ehegatten-GbR und teilweiser Verwendung der Wärme zur Heizung des privaten Wohnhauses
Leitsatz (redaktionell)
1. Betreibt eine Ehegatten-GbR ein umsatzsteuerlich voll dem Unternehmen zugeordnetes Blockheizkraftwerk (BHKW) und wird die von dem BHKW – neben Strom – produzierte Wärme teilweise für die Heizung des Wohnhauses der Ehegatten verwendet, stellt dies eine Entnahme von Gegenständen i. S. v. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG dar; Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sind die Selbstkosten der GbR für den Wärmeverbrauch.
2. Bei den Selbstkosten ist die tägliche Wartungsarbeit der Ehegatten am BHKW als kalkulatorischer Unternehmerlohn nicht zu berücksichtigen. Die Selbstkosten sind nach dem Verhältnis der erzeugten Wärme zur produzierten Gesamtenergiemenge bestehend aus Strom und Wärme aufzuteilen, um anschließend die Selbstkosten für die anteilig im privaten Wohnhaus verbrauchte Wärme ermitteln zu können.
3. Ist der Betrieb der GbR nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen, kann nicht der bundesweit einheitliche durchschnittliche Fernwärmepreis auf der Basis der jährlichen Veröffentlichung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie – sog. Energiedaten – als „Einkaufspreis” i.S. des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG herangezogen werden. Soweit die Wärme teilweise an einen Verwandten der Ehegatten verkauft wird, ist auch der dabei vereinbarte Verkaufspreis für den Eigenverbrauch der Ehegatten unerheblich, da § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG auf den Einkaufspreis und nicht auf den Verkaufspreis Bezug nimmt.
4. Einer Besteuerung der entnommenen Wärme auf der Grundlage der Selbstkosten steht ebenso nicht entgegen, dass das Hauptinteresse am Betreiben des Blockheizkraftwerks in der Stromerzeugung besteht und die dabei entstehende Wärme lediglich ein Abfallprodukt ist.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1, § 3 Ab S. 2, § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1; MwStSystRL Art. 15 Abs. 1
Tenor
1. Der Bescheid über die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2013 vom 24. September 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2016 wird mit der Maßgabe geändert, dass die Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgaben für Lieferungen zum Steuersatz von 19 % i.H. mit 1.887,95 Euro angesetzt wird und der Beklagte die danach festzusetzende Umsatzsteuer zu berechnen hat. Der Beklagte hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 90 %, der Beklagte zu 10 %.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 Euro festgesetzt, hat die Klägerin in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Bemessungsgrundlage für eine unentgeltliche Wertabgabe aus dem Betrieb eines Blockheizkraftwerkes mit Biogasanlage (BHKW).
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), welche seit 2012 ein BHKW mit einer Maximalleistung von 75 Kilowattstunden (kWh) betreibt. Die beiden Gesellschafter der Klägerin sind Ehegatten. Der Ehemann ist an der Klägerin zu 95 % beteiligt, die Ehefrau zu 5 %. Die Anschaffungskosten des BHKW betrugen netto 299.205,51 Euro.
Durch das BHKW wird überwiegend die im landwirtschaftlichen Betrieb des Ehemanns anfallende Gülle zu Strom verwertet, welcher seit Dezember 2012 vollständig gegen Entgelt in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Die bei dem Betrieb des BHKW anfallende Wärme wird u.a. zum Beheizen des Wohnhauses der Ehegatten genutzt. Zudem liefert die Klägerin Wärme an den Cousin des Ehemanns zum Beheizen dessen Wohnhauses, wobei 3 Cent je kWh (brutto) berechnet wurden. Dies entspricht einem Nettoentgelt i.H. von 2,521 Cent je kWh.
In Bezug auf des BHKW machte die Klägerin folgende unbestrittene Angaben (Schriftsatz vom 28. Juli 2016, Gerichtsakte, Bl. 32):
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2013 |
2014 |
Material- und Fertigungseinzelkosten |
55.638,85 Euro |
139.565,77 Euro |
Material- und Fertigungsgemeinkosten |
5.049,11 Euro |
22.135,05 Euro |
Aufteilung der Herstellungskosten auf 10 Jahre |
29.920,55 Euro |
29.920,55 Euro |
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Summe der Selbstkosten |
90.608,51 Euro |
191.621,37 Euro |
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Produktion Strom |
613.744 kWh |
646.677 kWh |
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verkaufte Wärme |
51.070 kWh |
49.695 kWh |
eigenverbrauchte Wärme |
28.433 kWh |
36.755 kWh |
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Gesamte produzierte Wärme |
750.132 kWh |
790.383 kWh |
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Gesamte produzierte Energiemenge |
1.363... |