rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf vermögenswirksame Leistungen (VL) bei der Ermittlung der kindergeldrechtlichen Einkünfte und Bezüge unbeachtlich

 

Leitsatz (redaktionell)

Veranlasst das in Ausbildung befindliche Kind nach seinem 18. Geburtstag den Arbeitgeber, die bisher gewährten und nach Tarifvertrag zustehenden vermögenswirksamen Leistungen nicht mehr zu zahlen (hier: mangels Vorlage eines Nachweises über eine vermögenswirksame Leistung), um den Kindergeldanspruch der Eltern zu erhalten, liegt ein nach § 32 Abs. 4 Satz 9 EStG 2002 bei der Ermittlung der für den Kindergeldanspruch maßgeblichen Einkünfte und Bezüge nicht zu berücksichtigender Verzicht auf Teile der Einkünfte und Bezüge vor. Insoweit ist unbeachtlich, ob ein Antrag auf VL zurückgezogen, notwendige Nachweise nicht erbracht werden oder die bewilligte Leistung nicht angenommen wird.

 

Normenkette

EStG 2002 § 32 Abs. 4 Sätze 9, 2, 7

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger (Kl) im Jahr 2002 Kindergeld für seine Tochter zusteht.

Der Kl bezog für seine Tochter (geboren am 28. Februar 1984) Kindergeld. Ab 1. September 2001 befand sie sich in einem Berufsausbildungsverhältnis als Bürokauffrau beim … Laut Ausbildungsbescheinigung betrug ihre Ausbildungsvergütung ab 1. September 2001 Euro 604,29 und ab 1. September 2002 Euro 651,00. Im Juli 2002 erhielt sie ein Urlaubsgeld in Höhe von Euro 255,65 und im November ein Weihnachtsgeld in Höhe von Euro 554,23.

Da sie ihr 18. Lebensjahr im Februar 2002 vollendete, schätzte der Beklagte (Bekl) die Einkünfte und Bezüge der Tochter für die Zeit von März bis Dezember 2002 wie folgt:

03–08/02

6 × Euro 604,29

Euro 3.625,74

09–12/02

4 × Euro 651,00

Euro 2.604,00

Urlaubsgeld Euro 255,65 × 10/12

Euro 213,00

Weihnachtsgeld Euro 554,23 × 10/12

Euro 461,80

Summe rund

Euro 6.904,00

abzüglich Werbungskostenpauschbetrag Euro 1044,00 × 10/12

Euro 870,00

Gesamtbetrag der Einkünfte

Euro 6.034,00

Da dieser Betrag den anteiligen Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) von (Euro 7.188 mal 10/12 =) Euro 5.990 überstieg, lehnte er mit Bescheid vom 6. Februar 2002 den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld ab März 2002 ab.

Daraufhin zahlte die Tochter des Klägers im März 2002 den Eigenanteil auf ihren weiter bestehenden Bausparvertrag nicht mehr über den Arbeitgeber ein. Ab April bis Dezember 2002 wurden auf den Bausparvertrag keine Einzahlungen vorgenommen. Der Arbeitgeber zahlte für März bis Dezember 2002 auch keine Sparzulage.

Der Kl legte am 20. Februar 2002 Einspruch ein. Er legte eine neue Ausbildungsbescheinigung vom 28. Februar 2002 vor, aus der sich ergibt, dass die Tochter des Kl ab 1. März 2002 keine vermögenswirksame Leistungen erhalten und daher ab 1. März 2002 nur noch Euro 591,00 und ab 1. September 2002 nur noch Euro 637,71 beziehen werde, somit Euro 133,00 weniger als bisher angenommen.

In einem Schreiben vom 15. März 2002 an den Kläger führte der Vertreter des … u.a. Folgendes aus: „Der Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers ist in einem eigenen Tarifvertrag … vom 17. Dezember 1970 in der jeweils gültigen Fassung geregelt. Nach § 1 dieses Tarifvertrags besteht ein monatlicher Anspruch auf diese Leistung, welche gem. § 3 für den Kalendermonat entsteht, in dem der Auszubildende die erforderlichen Angaben mitteilt. Ein Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen entfällt somit für Monate, in denen kein Nachweis über eine vermögenswirksame Anlage vorliegt. Nachdem Ihre Tochter seit März 2002 keine vermögenswirksame Anlage über uns als Arbeitgeber mehr tätigt, hat Ihre Tochter keinen Anspruch auf die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers mehr.”

Der Einspruch wurde in der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, die vermögenswirksamen Leistungen gehörten ebenfalls zur Ausbildungsvergütung. Der Verzicht auf Teile der zustehenden Einkünfte und Bezüge sei unbeachtlich.

Dagegen erhob der Kl am 4. April 2002 Klage, mit der er geltend macht: Wie sich aus dem Schreiben des … vom 15. März 2002 ergebe, bestehe nach dem Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen an Auszubildende vom 17. Dezember 1970 in der jeweils gültigen Fassung nur dann ein Anspruch auf eine vermögenswirksame Leistung, wenn ein Nachweis über die vermögenswirksame Anlage geführt werde. Nachdem seine Tochter seit März 2002 keine vermögenswirksame Anlage über den Arbeitgeber mehr tätige, habe sie keinen Anspruch auf die vermögenswirksame Leistung mehr. Es handle sich somit nicht um einen Verzicht auf Ausbildungsvergütung, sondern um den Wegfall einer Leistung, weil die Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien.

Der Kl beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2002 und des Bescheides vom 6. Februar 2002 den Bekl zu verpflichten, für die Monate ab März 2002 weiterhin Kindergeld zu gewähren.

Der Bekl beantragt,

die Kla...

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