rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerbefreiung von Leistungen eines Vitalogisten als heilberufliche Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Leistungen eines Vitalogisten sind mangels berufsrechtlicher Regelung, mangels Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die Sozialversicherungen, bzw. mangels Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen keine von der Umsatzsteuer befreiten Heilbehandlungen i. S. d. § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG.
2. Die Erhebung von Zinsen nach § 233a AO ist verfassungsgemäß.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14 S. 1; SGB V § 124 Abs. 2, § 92; AO § 233a
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin als Vitalogistin eine heilberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausübt und ihre Umsätze deshalb nach § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sind.
Die Klägerin übt als selbständige Unternehmerin die Tätigkeit einer Vitalogistin aus. Mit Schreiben vom 21. April 2004 ordnete der Beklagte an, dass bei ihr eine Außenprüfung durchgeführt werden sollte. Die Außenprüfung sollte insbesondere die Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 1997 bis 2002 umfassen. Der Prüfer stellte hierauf u. a. die folgenden Besteuerungsgrundlagen fest:
für den Besteuerungszeitraum |
Entgelt für die Leistungen als Vitalogistin |
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zu versteuern |
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mit 15 vom Hundert |
mit 16 vom Hundert |
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1997 |
133.969 DM |
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1998 |
67.936 DM |
203.808 DM |
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1999 |
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323.017 DM |
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2000 |
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333.252 DM |
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2001 |
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338.896 DM |
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2002 |
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167.130 Euro |
Der Beklagte folgte dem Bericht des Prüfers vom 31. Mai 2005. Dabei setzte er für das Kalenderjahr 1997 erstmals die Umsatzsteuer fest. Zugleich hob er für die Besteuerungszeiträume 1998 bis 2002 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Einspruch gegen die Bescheide über die Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 1997 bis 2002 (Streitjahre) blieb erfolglos.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihre Leistungen als Vitalogistin seien gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei. Sie trägt vor, „Vitalogie” sei ein geschützter Begriff für eine erfolgreiche Gesundheitspflege, die von dem Schweizer Chiropraktiker Dr. (künftig: H) aus Erkenntnissen des Amerikaners Dr. entwickelt worden sei. H habe sich nach umfangreichen Studien in den Vereinigten Staaten und mehr als zwanzigjähriger Praxis in der Schweiz gegen die übliche Art und Weise der Symptombehandlung entschieden. H sei u. a. durch die Betreuung der-Nationalmannschaft ab bekannt geworden. Oft sei er als „Mann mit den Goldfingern” bezeichnet worden.
Der Vitalogist behandele keine Krankheiten und stelle keine Diagnosen im medizinischen Sinne. Er verordne keine Medikamente und verändere keine medizinischen Anordnungen. Gebotene Therapien würden nicht beeinträchtigt.
Die Vitalogie sei in erster Linie eine Dienstleistung am Menschen, eine Lebensphilosophie und eine Vorsorgemaßnahme. Sie unterscheide sich von Therapieformen, welche sich auf die Heilung bestimmter Krankheiten beschränken würden. Mit der Vitalogie solle das Lebenspotential möglichst optimal behalten werden.
In der Erkenntnis, dass der Mensch in seiner Funktion nur als Ganzes gesehen werden könne, habe H Mechanismen entdeckt, die eine ganzheitliche Einflussnahme auf sämtliche Funktionen des Menschen gestatte. Das Kernstück der Philosophie der Vitalogie sei die Tatsache, dass zum optimalen Funktionieren des Körpers alle Abläufe vom Nervensystem koordiniert würden. Die Nervenimpulse würden über das Gehirn zum Rückenmark und über die Spinalnerven zu den entsprechenden Organen gelangen. Würden diese Nervenbahnen gedrückt oder bedrängt, würden verfälschte oder schwache Informationen weitergegeben. Diese Störungen könnten zu mangelnden Nervenimpulsen führen. Das Wissen hierum setze der von H ausgebildete Vitalogist bei seiner Behandlung ein.
Die Vitalogie aktiviere einzig und allein das zentrale Nervensystem und verbessere dadurch die Nervenleitfähigkeit. Der Vitalogist heile somit keine Krankheiten, auch behandele er keine Symptome. Vielmehr sei es der Körper selbst, der die Heilung einleite, und zwar an der Stelle, wo Heilung gebraucht würde.
Die Vitalogie stütze sich auch auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse der Universität von Colorado: Üblicherweise sei der Mensch einem Luftdruck von 760 mm Quecksilbersäule ausgesetzt. Dennoch würde bereits ein – im Vergleich dazu minimaler – Druck von nur 30 mm Quecksilbersäule auf einen Nerv genügen, um dessen Aktionspotential um mehr als die Hälfte zu verringern. Bei einem Druck von 50 mm Quecksilbersäule sei nur noch knapp ein Viertel des Potentials vorhanden. Bei anhaltendem Druck seien sogar biochemische Veränderungen oder auch die Entwicklung toxischer Stoffe festzustellen. Wichtiger Bestandteil seiner Lehre seien vor allem die jahrelangen praktischen und wissenschaftlichen Le...