rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit eines Laborarztes. Gewerbesteuermessbescheid 1991 bis 1994

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Laborarzt führt seine Tätigkeit eigenverantwortlich aus, wenn er den Arbeitsablauf in seinem Labor so organisiert, dass jeder einzelne Untersuchungsauftrag ihm selbst zuzurechnen ist. Dies ist der Fall, wenn er durch die Anordnung der Vorlage jedes Auftragsscheins sicherstellt, dass er von jedem eingegangenen Untersuchungsauftrag nach Inhalt und Fragestellung Kenntnis nehmen kann und dies auch möglich ist, da ihm allein dafür im Durchschnitt 18 Sekunden je Auftrag zur Verfügung stehen, er die Bearbeitung der Aufträge durch die zuständigen Abteilungen sowie die Auswahl und Anwendung der Untersuchungsmethoden kontrolliert, wobei die bloße Durchführung einer medizinisch-chemischen Untersuchung nicht zu dessen Aufgaben gehört, und –was entscheidend ist– er selbst, die medizinischen Befunde auf Grundlage der Analysen erstellt, wofür zur Verfügung stehende 79 Sekunden pro Untersuchung ausreichend sind.

2. Die Einschränkung der Eigenverantwortlichkeit in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bezieht sich auf die Mithilfe von –qualifizierten– Arbeitskräften, nicht aber auf die Vervielfältigung der Arbeitskraft des freiberuflich Tätigen durch den Einsatz von EDV-Technik, so dass im Fall einer Ersetzung der qualifizierten Mitarbeiter nur durch EDV-Technik eine laborärztliche Tätigkeit unabhängig von Auftrags- und Untersuchungszahlen stets freiberuflich wäre.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3; GewStG § 2 Abs. 1 S. 1; EStG § 15 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

1. Die Einspruchsentscheidung vom 30. September 1996 sowie die Gewerbesteuermessbescheide 1991-1994 vom 11. Juni 1996 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Im Verfahren betreffend die Gewerbesteuermessbescheide 1991 bis 1994 ist streitig, ob der Kläger (Kl) mit seiner selbständigen Betätigung als Laborarzt ein Unternehmen betreibt, das der Gewerbesteuer (GewSt) unterliegt, sowie, ob der gewerbesteuerlichen Erfassung des Kl jedenfalls im Veranlagungszeitraum (Vz) 1991 der Einwand der Verwirkung entgegensteht.

Der Kl ist selbständiger Laborarzt. Ausweislich der dem FG vorgelegten Betriebsprüfungsakten (Bp-Akten) fanden beim Kl steuerliche Außenprüfungen auch schon für frühere VZe statt. Auf Grundlage der Prüfungsanordnung vom 1. Juli 1992 prüfte der Beklagte (Bekl) die Einkommensteuer (ESt) und die Umsatzsteuer (USt) der VZ 1986 bis 1990, die Vermögensteuer (VSt) sowie den Einheitswert des Betriebsvermögens auf die Zeitpunkte 1.1.1978 bis 1.1.1991. Der Bekl qualifizierte in Übereinstimmung mit dem Bp-Bericht vom 23.11.1992 die Einkünfte des Kl aus seiner Tätigkeit als Laborarzt in diesen Vzen nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Auf Grundlage der Prüfungsanordnung vom 20.11.1995 führte der Bekl eine Außenprüfung beim Kl betreffend die ESt, die USt, die VSt und den Einheitswert des Betriebsvermögens für die Streitjahre 1991 bis 1994 durch. Der Außenprüfer stellte unter Tz.1.03 seines Berichts vom 25.03.1996 folgenden Sachverhalt fest:

„(Der Kl) ist Facharzt für Laboratoriumsmedizin. Seit … 1983 betreibt er seine Praxis in gemieteten Räumen … Die Praxis ist mit modernsten Geräten ausgestattet…

… Angestellte Ärzte werden … nicht beschäftigt…

In der Besprechung vom 16.02.1996 schilderte … (der Kl) die Arbeitsabläufe in seiner Praxis wie folgt:

Mitarbeiterinnen erfassen die eingehenden Untersuchungsaufträge der Ärzte EDV-mäßig mit gleichzeitiger Zuordnung zum jeweiligen Arbeitsplatz (MTA bzw. CTA). Durch die PC-Vernetzung kann … (der Kl) unmittelbar danach die Aufträge in seinem Büro auf dem Bildschirm sichtbar machen. Anschließend werden die Aufträge … (dem Kl) stapelweise vorgelegt. Er vergleicht die Aufträge mit der EDV-Eingabe und der Arbeitsplatzzuordnung und gibt sie zur Bearbeitung frei. Sind Fragestellungen auf den Aufträgen enthalten oder bei schwierigen Aufträgen, bestimmt… (der Kl) die Untersuchungsabläufe bzw. die Vorgehensweise.

Die MTA's bzw. CTA's bearbeiten die Aufträge nach vorgegebenen Verfahren. Die Ergebnisse werden über die EDV erfaßt. Über seinen Bildschirm überprüft … (der Kl) diese Ergebnisse und gibt sie frei. Im Regelfall, wenn die Ergebnisse in der Norm liegen oder … nur Werte zu bestimmen sind, wird der Befund mit Textbausteinen erstellt. In Ausnahmefällen, bei schwierigen Fällen oder wenn die Ergebnisse außerhalb der Norm liegen, erfolgt eine individuelle Befundung durch … (den Kl).”

Ferner ging der Prüfer unter Tz.1.03 seines Berichts und in der Anlage 4 d...

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