Entscheidungsstichwort (Thema)
Sechsjahresfrist des § 6b EStG bei doppelstöckiger Personengesellschaft und entgeltlichem Gesellschafterwechsel auf Ebene der Obergesellschaft. Voraussetzungen einer ertragsteuerlichen Organschaft im Hinblick auf die Mindestlaufzeit von Gewinnabführungsverträgen bei Änderung des Wirtschaftsjahres und automatischer Vertragsverlängerung
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch eine entgeltliche Änderung im Gesellschafterbestand oder in den Beteiligungsverhältnissen bei einer Personengesellschaft unterbricht die Sechsjahresfrist des § 6b EStG für die Wirtschaftsgüter im Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft anteilig, sofern nicht besondere Vorschriften eine Besitzzeitanrechnung vorsehen. Diese gesellschafterbezogene Betrachtungsweise gilt auch im Falle doppelstöckiger Personengesellschaften; ein – anteiliger – Gesellschafterwechsel auf Ebene der Obergesellschaft unterbricht daher nicht nur die Besitzzeit hinsichtlich der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens der Obergesellschaft, sondern auch die Besitzzeit für Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens der Untergesellschaft.
2. Die Voraussetzungen einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft können im Hinblick auf die gesetzliche fünfjährige Mindestlaufzeit eines Ergebnisabführungsvertrags (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG) auch dann erfüllt sein, wenn anfänglich das Wirtschaftsjahr der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften dem Kalenderjahr entsprach, während des Fünfjahreszeitraum auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr umgestellt wurde und die vertraglich vereinbarte, am 31.12. endende fünfjährige Mindestvertragslaufzeit nach der Umstellung nunmehr zwar im laufenden Wirtschaftsjahr der Organgesellschaften endete, jedoch in den Ergebnisabführungverträgen für den Fall der nicht fristgerechten Kündigung jeweils eine automatische Vertragsverlängerung um ein Jahr vorgesehen ist, und die Organschaft tatsächlich auch länger als fünf Zeitjahre durchgeführt worden ist. Ein generelles Erfordernis, den Mindestzeitraum mit fünf zwölfmonatigen Wirtschaftsjahren auszufüllen, besteht nicht; es genügt, dass die Organgesellschaften die Voraussetzungen der Organschaft bei Ablauf der Fünfjahresfrist innerhalb des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaften noch bis zum Ende ihres Wirtschaftsjahres erfüllen.
Normenkette
EStG § 6b Abs. 1, 3, 4 S. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; KStG § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1, S. 2
Tenor
1. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011 vom 19. April 2021 wird dergestalt geändert, dass der Feststellung eine ertragsteuerliche Organschaft der Klägerin mit ihren Tochtergesellschaften und zwar der Beigeladenen (der B GmbH), der C GmbH und der D GmbH zugrunde gelegt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berechnung der danach festzustellenden Beträge wird dem Beklagten übertragen.
2. Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin 54/100 und der Beklagte 46/100 zu tragen. Die Beigeladene trägt keine Kosten.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf sie nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist für das Streitjahr 2011 zum einen die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG), zum anderen das Vorliegen einer ertragsteuerlichen Organschaft. Die Höhe der vom Beklagten jeweils gezogenen steuerlichen Konsequenzen ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin (vormals E GmbH & Co.KG) ist xxx. Persönlich haftende Gesellschafterin war im Streitjahr die F GmbH, in X (seit 2021 N GmbH).
Das Gesamthandsvermögen der Klägerin bestand im maßgeblichen Zeitraum hauptsächlich aus Grundbesitz und Beteiligungen an inländischen Gesellschaften. Zu den Beteiligungen gehörte u. a. auch eine solche an der grundbesitzenden G GmbH & Co.KG an deren Kommanditkapital die Klägerin ausweislich des Gesellschaftsvertrags vom 26. November 2003 in Höhe von 94 % beteiligt war. Sowohl der Grundbesitz der Klägerin als auch der der G GmbH & Co.KG befanden sich am 1. Januar 2011 seit mehr als sechs Jahren im jeweiligen Gesamthandsvermögen.
Seit 1997 hatte die Klägerin zunächst zwei Kommanditisten: H, der in Höhe von 77,5 % am Kommanditkapital der Klägerin beteiligt war, und J mit einer Beteiligung von 22,5 %. Am 17. Dezember 2009 schlossen die beiden Kommanditisten einen Vertrag über die Veräußerung der Kommanditbeteiligung des J an H mit schuldrechtlicher Wirkung zum 1. Januar 2010. Die Eintragung der entsprechenden Erhöhung der Kommanditeinlage des nun alleinigen...