Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnsitz im Inland als Voraussetzung für den Kindergeldanspruch bei mehrjährigem Studium des volljährigen Kindes in der Türkei. Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
Hat das in Deutschland aufgewachsene, daher räumlich und kulturell auf Deutschland ausgerichtete, nunmehr volljährige Kind mit türkischer Abstammung und deutscher Staatsangehörigkeit für mehrere Jahre an einer Universität in der Türkei mit der Absicht studiert, den späteren Beruf in Deutschland auszuüben, hat es sich während der Semesterferien jeweils in der Wohnung seiner Mutter in Deutschland aufgehalten und ist es nach dem Studium tatsächlich nach Deutschland zurückgekehrt, so spricht die Gesamtwürdigung der Umstände dafür, dass es auch während des Auslandsaufenthalts seinen Wohnsitz im Inland als Voraussetzung für den Kindergeldanspruch der Mutter beibehalten hat (vgl. Rechtsprechung zum Wohnsitzbegriff).
Normenkette
AO § 8; EStG § 63 Abs. 1 S. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 1; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG 2002 § 63 Abs. 1 S. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO 1977 § 8
Tenor
1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 31. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2003 wird die Familienkasse verpflichtet, Kindergeld für das Kind A ab Februar 2002 zu gewähren.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, falls die Klägerin nicht ihrerseits Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist das Bestehen eines Kindergeldanspruchs ab Februar 2002.
Die Klägerin sowie ihre am 29. Januar 1977 in Deutschland geborene Tochter A sind türkischer Abstammung. Die Tochter wuchs in Deutschland auf und besuchte bis Juli 1995 die Mädchen-Realschule Z den Jahren 1996 und 1997 war A arbeitslos. Die Klägerin bezog für das Kind von der beklagten Agentur f. Arbeit – Familienkasse – für die Zeit der Schulausbildung Kindergeld. Nach Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen zahlte die Familienkasse das Kindergeld ab März 1997 fort. Durch Bescheid vom 30. März 1998 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Februar 1998 auf, da die Tochter nicht mehr an einer Ausbildung interessiert sei. Nach Vorlage einer Bescheinigung der Kaufmännischen Schulen in R vom 29. Juli 1998 hatte sich A für das Schuljahr 1998/1999 zum Berufskolleg I angemeldet. Hierauf setzte die Familienkasse durch Bescheid vom 31. Juli 1998 Kindergeld ab Juli 1998 fest. Nachdem die Tochter die Schulausbildung nicht entsprechend ihrer Anmeldung aufgenommen hatte, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung am 18. Dezember 1998 ab Oktober 1998 wieder auf. Am 1. März 1999 beantragte die Klägerin für ihre zwischenzeitlich eingebürgerte Tochter erneut Kindergeld, da diese weiterhin eine Ausbildungsstelle suche. Durch Bescheid vom 24. März 1999 setzte die Familienkasse erneut Kindergeld ab März 1999 fest und hob dieses bereits am 29. April 1999 ab Mai 1999 wieder auf. Den Antrag auf Kindergeld vom 20. Oktober 1999 begründete die Klägerin damit, dass A im Mai 1999 in der Türkei eine Abiturprüfung abgelegt und anschließend das Studium an der Universität in Istanbul aufgenommen habe. Wegen Nichtvorlage einer Studienbescheinigung lehnte die Familienkasse den Antrag am 5. September 2000 ab. Am 26. Januar 2001 legte die Klägerin die Übersetzung einer „Studentenbescheinigung” vom 21. Dezember 2000 der Universität Marmara – Fakultät Erziehungswissenschaften – vor, wonach A im Fachbereich „Deutschlehrerin” regelmäßig studiere. Nach Nichtvorlage der Originalbescheinigung aus der Türkei lehnte die Familienkasse den Antrag durch Bescheid vom 26. April 2001 ab und setzte das Kindergeld auf 0 DM fest. Am 31. Januar 2002 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter Vorlage einer Bescheinigung der Marmara Universität in türkischer Sprache, die Zahlung von Kindergeld mit sofortiger Wirkung wieder aufzunehmen. Auch diesen Antrag lehnte die Familienkasse ab. Der Ablehnungsbescheid vom 31. März 2003 wurde damit begründet, dass bei Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit und türkischer Abstammung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) davon auszugehen sei, dass bei diesen mit Rückkehr in die Türkei der Wohnsitz in Deutschland aufgegeben werde.
Den hiergegen am 28. April 2003 eingelegten Einspruch wies die Familienkasse durch Entscheidung vom 30. Mai 2003 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der am 30. Juni 2003 erhobenen Klage lässt die Klägerin ergänzend im Wesentlichen folgendes vortragen: Für die Tochter bestehe Anspruch auf Kindergeld. Diese habe während ihres Studiums in Istanbul nie ihren Wohnsitz in K aufgegeben, wo sie auch immer gemeldet gewesen sei. A sei in Deutschland geboren, deutsche Staatsbsbürgerin und habe hierher eine starke persönliche und kulturelle Bindung. Sie habe das Studienfach „Deutsch” gewählt, um nach ihrer Rückkehr nach Deutschland die bestm...