Entscheidungsstichwort (Thema)
Einleitung eines Strafverfahrens nach Selbstanzeige. Anlaufhemmung für die Festsetzungsfrist der Hinterziehungszinsen nach Selbstanzeige
Leitsatz (redaktionell)
1. Besteht während des Schwebezustands bis zur Klärung der Frage, ob eine wirksame Selbstanzeige vorliegt und die hinterzogenen Steuern fristgerecht entrichtet werden, kein Strafaufhebungsgrund und damit auch kein Verfahrenshindernis, ist die Finanzbehörde auch bei Selbstanzeigen grundsätzlich berechtigt und nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten.
2. Entschließt sich die zur Strafverfolgung zuständige Finanzbehörde, nach einer Selbstanzeige wegen des begründeten Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, liegt nicht eine bloße „Vorprüfung” vor. Die in der Praxis üblichen und rechtlich anerkannten Vorfeld- oder Initiativermittlungen sind typischerweise auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten gerichtet oder beziehen sich auf Sachverhalte unterhalb der Verdachtsschwelle.
3. Ermittlungen der Steuerfahndungen zur Wirksamkeit einer Selbstanzeige können auch dann als Einleitung eines Strafverfahrens zu bewerten sein, wenn sie weder dem Kläger noch seinem Berater bekannt waren und die Fahndung später davon ausgeht, sie habe kein Strafverfahren eingeleitet.
4. Wird nach einer Selbstanzeige ein Strafverfahren im Laufe des Kalenderjahres eingeleitet, in dem die hinterzogenen Steuern unanfechtbar festgesetzt worden sind, so beginnt die einjährige Festsetzungsfrist für die Hinterziehungszinsen erst mit Ablauf des (Folge-)Jahres, in dem das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist.
Normenkette
AO § 239 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 1, §§ 235, 371, 397 Abs. 1, § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beginn der Festsetzungsfrist für Hinterziehungszinsen durch ein eingeleitetes Strafverfahren gehemmt wurde.
Der Kläger (Kl) hatte beim beklagten Finanzamt (FA) am 14. September 1998 Selbstanzeige wegen hinterzogener Einkommensteuer für die Jahre 1987 bis 1996 erstattet, indem er berichtigte und mit Anlagen versehenen Einkommensteuersteuererklärungen einreichte, die Einkünfte aus Kapitalvermögen bei einer Schweizer Bank betrafen. Die Selbstanzeige wurde vom FA an die Steuerfahndung (Steufa) und von dieser an die zuständige Straf- und Bußgeldsachenstelle (Strabu) weitergeleitet. Mit Ermittlungsauftrag vom 30. September 1998 begann die Steufa, die steuerlichen Verhältnisse des Kl im Rahmen seiner Selbstanzeige zu prüfen. Die Strabu verfügte am 13. Oktober 1998 die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Kl wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung ab 1987. Die Ermittlungen der Steufa führten für die Jahre 1989 bis 1992 zu geringen Erhöhungen gegenüber der nacherklärten Einkommensteuer. Im übrigen wurden die Kapitaleinkünfte wie vom Kl erklärt übernommen. Die Steufa stellte in einem Aktenvermerk vom 5. Januar 1999 fest, dass ihrerseits kein Strafverfahren eingeleitet worden sei, und erklärte mit Schreiben an die Strabu vom gleichen Tag, dass nach ihrer Auffassung die Selbstanzeige – vorbehaltlich einer fristgerechten Bezahlung der restlichen Steuern – wirksam sei. Aufgrund der Materiallieferung und der gemachten Angaben des Kl sei die Steufa ohne langwierige Nachforschungen in der Lage gewesen, den Sachverhalt aufzuklären und die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Die Strabu stellte am 24. März 1999 das Verfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung 1989 bis 1992 ein, weil ein wirksame Selbstanzeige vorliege und die Beträge entrichtet worden seien.
Noch während der Prüfung durch die Steufa hatte das FA mit Bescheiden vom 12. Oktober 1998 die Einkommensteuerfestsetzungen 1987 bis 1996 auf der Grundlage der Angaben des Kl geändert, der daraufhin die hinterzogenen Steuern bezahlte. Die korrigierenden Feststellungen der Steufa für die Einkommensteuer 1989 bis 1992 wurden mit Bescheiden vom 10. Februar 1999 berücksichtigt. Die geänderten Einkommensteuerbescheide blieben unangefochten.
Mit Bescheid vom 31. März 2000 setzte das FA gegen den Kl Hinterziehungszinsen i.H.v. 33.332 DM fest. Berechnungsgrundlage der Hinterziehungszinsen waren die geänderten Einkommensteuerfestsetzungen vom 12. Oktober 1998. Der Kl erhob gegen den Zinsbescheid Einspruch, weil die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Die einjährige Festsetzungsfrist nach § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden sei, hier mit Ablauf des Jahres 1998. Der Zinsbescheid hätte daher noch im Jahr 1999 ergehen müssen. Eine Anlaufhemmung durch ein eingeleitetes Strafverfahren sei nicht eingetreten, weil die Einleitung eines Strafverfahrens weder für den Kl noch seinen steuerlichen Berater erkennbar gewesen sei.
Das FA wies mit Bescheid vom 7. Jul...