rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines polnischen Gewerbetreibenden für sein in Polen lebendes Kind
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein in Polen lebendes Kind ist – bei gewöhnlichem Aufenthalt des Vaters im Inland – gem. § 63 Abs. 1 i. V. m. § 32 Abs. 1, Abs. 3 EStG dem Grunde nach kindergeldrechtlich zu berücksichtigen, wenn es das 18. Lebensjahr nicht vollendet hat. Dem Anspruch auf Gewährung von Kindergeld für ein in Polen lebendes Kind steht jedoch entgegen, wenn kein hinreichender Nachweis über die Rückforderung und Rückzahlung des von den polnischen Behörden zunächst gezahlten Kindergeldes erbracht wird.
2. Der Anwendung des § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG auf den Streitfall stehen vorrangig zu beachtende Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht entgegen, da Gewerbetreibende, die in Deutschland selbstständig tätig sind, aber nicht der Versicherungspflicht der Deutschen Rentenversicherung unterliegen, nicht dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 unterfallen, so dass sich deren Anspruch auf Kindergeld allein nach der nationalen Regelung des Einkommensteuergesetzes bestimmt.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1, 3, § 1 Abs. 2-3; AO §§ 9, 90 Abs. 2; Verordnung Nr. 1408/71 Art. 2 Abs. 1; Verordnung Nr. 1408/71 Anhang I Teil I Buchs. D Unterabs. B; Verordnung Nr. 1408/71 Teil III Kap. 7
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nach Abänderung des streitigen Zeitraums darum, ob dem Kläger für den Zeitraum von Oktober 2005 bis Mai 2008 sowie für den Zeitraum August 2009 bis Dezember 2009 ein Anspruch auf Kindergeld für seine in Polen lebende Tochter T zusteht.
Der Kläger und seine Ehefrau sind polnische Staatsangehörige. Sie haben in Polen unter der Anschrift Y eine gemeinsame Wohnung inne und sind Eltern der zwei gemeinsamen Töchter T, geboren am 20. Januar 2005, und G, geboren am 8. November 2008.
Der Kläger ist selbstständiger Handwerker im Bereich des Trockenbaus und war bis Mai 2008 Gesellschafter der Bauunternehmung B, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts-GbR – mit Hauptniederlassung in X/Deutschland. In dieser GbR haben sich neben dem Kläger noch acht weitere Handwerker polnischer Staatsangehörigkeit zu dem Zweck zusammengeschlossen, auf wechselnden Baustellen in Deutschland gemeinsam Bauleistungen im Bereich von Akustik- und Trockenbauarbeiten erbringen zu können. Der Kläger unterlag im Streitzeitraum nicht der Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung und hat keine Beiträge geleistet. Von Juni 2008 bis zumindest Juli 2009 war der Kläger nicht Gesellschafter der B GbR.
Nachdem der Kläger von 6. September 2004 bis 31. März 2005 mit Hauptwohnung in der Z/Deutschland gemeldet war, ist er seit 25. März 2005 in der X/Deutschland mit alleiniger Wohnung gemeldet. Der Kläger legte einen Mietvertrag vom 15. Januar 2005 vor, wonach die B GbR die Wohnung in der X/Deutschland ab dem 15. Januar 2005 angemietet hat.
Nach seine Angaben arbeitete der Kläger von Oktober 2005 bis Mai 2008 sowie von August 2009 bis Dezember 2009 gemeinsam mit seinen Mitgesellschaftern durchgehend auf verschiedenen Baustellen im Raum X/Deutschland. Von Juni 2008 bis Juli 2009 hat der Kläger nicht in Deutschland gearbeitet. Der Kläger besuchte seine Familie in unregelmäßigen Abständen, mindestens jedoch alle vier Wochen.
Am 3. November 2005, eingegangen am 4. November 2005, beantragte der Kläger bei der beklagten Familienkasse die Zahlung von Kindergeld für seine bei seiner Ehefrau in Polen lebende Tochter T. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2008, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, mit der Begründung ab, zur Feststellung des Kindergeldanspruchs sei zuletzt mit Schreiben vom 30. August 2007 darum gebeten worden, Kopien der Steuerbescheide 2005 und 2006 hier einzureichen. Die für die Entscheidung über den Kindergeldanspruch notwendigen Unterlagen seien bisher nicht eingereicht worden. Es könne deshalb nicht festgestellt werden, ob ein Anspruch auf Kindergeld bestehe.
Mit seinem hiergegen per E-Mail durch den Klägervertreter eingelegten Einspruch vom 24. Oktober 2008 machte der Kläger geltend, er sei in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Zwar könne ein Steuerbescheid für die Jahre 2005 und 2006 nicht vorgelegt werden, doch liege dies nicht in seinem Machtbereich. Beim Finanzamt X/Deutschland sei der Steuerbescheid für das Jahr 2005 schon mehrmals angefordert worden. Dies sei bis zum heutigen Tag erfolglos geblieben. Mit dem Erlass des Bescheides sei in den nächsten Wochen zu rechnen. Er sei polnischer Staatsangehöriger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt sowie seinen Wohnsitz im Inland habe und hier eine selbstständige Tätigkeit ausübe. Die Voraussetzungen von § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – lägen vor. Er habe somit einen Anspruch auf Gewährung von Kindergel...