Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kindergeldanspruch eines nicht als Flüchtling oder Asylberechtigter anerkannten Asylbewerbers, dem lediglich subsidiärer Schutzstatus zuerkannt worden ist, nach dem Vorläufigen Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen für die Zeit vor Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus
Leitsatz (redaktionell)
1. Für nicht als Flüchtlinge (im Sinne des Genfer Abkommens) oder Asylberechtigte anerkannte Asylbewerber, denen lediglich subsidiärer Schutzstatus zuerkannt wird, ist Art. 2 des Vorläufigen Europäischen Abkommens über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen (VEA) in Verbindung mit Art. 2 des Zusatzprotokolls zu dem Vorläufigen Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen (Zusatzprotokoll) weder unmittelbar noch aufgrund einer unionsrechtskonformen Auslegung unter Berücksichtigung der Richtlinie 2011/95/EU (des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; Qualifikationsrichtlinie –QLR 2011–, ABl. L 337 v. 20.12.2011, S. 9) anwendbar.
2.In diesem Fall (siehe 1.) besteht kein Kindergeldanspruch für die Zeit vor Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus; die für die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zuständige untere Aufnahmebehörde hat daher keinen Erstattungsanspruchs gemäß § 74 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 104 SGB X gegenüber der Familienkasse für die Kinder des Asylbewerbers für die sechs Monate vor dem Monat der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 74 Abs. 2; SGB X § 104; Vorläufiges Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Altersder Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen Art. 2 Abs. 1 Buchst. d; Zusatzprotokoll zu dem Vorläufigen Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Altersder Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen Art. 2 S. 1; EURL 95/2011 Art. 3, 29; QLR 2011 Art. 3, 29; GG Art. 16a Abs. 1; Genfer Abkommen Art. 1; Richtlinie 2004/83/EG; QLR 2004; AsylG § 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin, eine für die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zuständige untere Aufnahmebehörde (§ 2 Abs. 1, 2, 4 i.V.m. § 1 Abs. 2, Halbsatz 2 des Gesetzes über die Aufnahme von Flüchtlingen vom 19. Dezember 2013, GBl. 2013, 493), aufgrund eines Erstattungsanspruchs gemäß § 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 104 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) die Auszahlung von Kindergeld für die beiden Söhne der Beigeladenen für die Zeit von Juli bis November 2016 (Streitzeitraum) beanspruchen kann.
Die Beigeladene ist die Mutter von K 1, geboren am xx.xx.2013, und K 2, geboren am xx.xx. 2015. Sie ist eritreische Staatsangehörige. Vater der beiden Kinder ist den Angaben der Beigeladenen zufolge V, der mutmaßlich in Eritrea lebt, zu dem sie jedoch keinen Kontakt mehr hat.
Die Beigeladene reiste ihren Angaben im Asylverfahren zufolge am 26. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 2. November 2015 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 12. Dezember 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Beigeladenen und ihren beiden Söhnen subsidiären Schutzstatus zu, lehnte die Asylanträge im Übrigen jedoch ab (KG-Akte Bl. 15). Auf die Aufenthaltstitel der Beigeladenen und ihrer Kinder wird verwiesen (KG-Akte Bl. 44 ff.).
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 (KG-Akte Bl. 2 f.) machte die Klägerin gegenüber der Familienkasse Baden-Württemberg X einen Erstattungsanspruch gemäß § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 SGB X geltend für die von ihr gegenüber der Beigeladenen bis Dezember 2016 erbrachten Leistungen nach dem AsylbLG und beantragte im berechtigten Interesse die rückwirkende Gewährung von Kindergeld für die beiden Söhne der Beigeladenen. Sie trug vor, dass der Erstattungsanspruch ab dem Zeitpunkt bestehe, in dem die Beigeladene seit sechs Monaten in Deutschland lebe. Dass nach Ablauf der Sechsmonatsfrist für die Dauer des Asylverfahrens bis zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes ein Anspruch bestehe, ergebe sich aus Art. 2 des Vorläufigen Europäischen Abkommens über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der...