Entscheidungsstichwort (Thema)
Als „Nutzungsersatz” bezeichnete Zahlungen aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs über den Widerruf eines Darlehensvertrages nicht einkommensteuerbar
Leitsatz (redaktionell)
Wird in einem Verfahren wegen Rückabwicklung von Bankdarlehen mit der Bank ein Vergleich geschlossen, wonach den Darlehensnehmern das Recht eingeräumt wird, die Darlehen vorzeitig ohne Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuzahlen, wonach jedoch die Darlehensverträge nicht rückabgewickelt werden, sondern die wechselseitigen Vertragspflichten bis zum Tag der Darlehensrückführung fortgelten, und wonach ferner die auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Darlehensnehmer nicht mehr widerrufen werden können und die Darlehensnehmer als „Nutzungsentschädigung” bezeichneten Zahlungen bei Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls als Entschädigung für den Verzicht der Darlehensnehmer auf ihre Rechte aus dem zuvor erklärten Widerruf der Darlehensverträge erhalten, so führt die Nutzungsentschädigung nicht zu Kapitaleinkünften und ist auch nicht anderweitig einkommensteuerbar.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 32d Abs. 1 S. 1; BGB §§ 133, 357
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid vom 12. September 2018 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2020 wird dahingehend geändert, dass Einkünfte in Höhe von XX.XXX Euro nicht der Einkommensteuer unterworfen werden.
2. Der Bescheid vom 20. September 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2020 wird dahingehend geändert, dass Einkünfte in Höhe von XX.XXX Euro nicht der Einkommensteuer unterworfen werden.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als X.XXX EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von X.XXX EUR kann die Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
5. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
6. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob als Nutzungsersatz bezeichnete Zahlungen aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs über den Widerruf eines Darlehensvertrages als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer unterliegen.
Im Jahr 2002 schlossen die Kläger als Gesamtschuldner mit der Bank einen Vertrag über die Gewährung von mehreren Darlehen zum Zwecke des Kaufs einer Immobilie über insgesamt XXX.XXX Euro.
Im Jahr 2016 entschlossen sich die Kläger zum Widerruf ihrer auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen im Hinblick auf zwei Darlehen, und zwar das Darlehen unter der KreditNr. XXX über XXX.XXX Euro und das Darlehen unter der KreditNr. XXX über zunächst XX.XXX Euro, das in 2003 nachträglich auf XX.XXX Euro herabgesetzt worden ist.
Zur Berechnung der finanziellen Folgen der Darlehnsrückabwicklung beauftragten die Kläger die C GmbH. Diese ermittelte zum Stichtag 16. Juni 2016 (Tag des Widerrufs) eine Abschlusszahlung gegenüber der Bank in Höhe von X.XXX,XX Euro und einen
„Gesamtvorteil aus der Rückabwicklung” in Höhe von XX.XXX,XX Euro (vgl. im Einzelnen das Schreiben der C GmbH v. 9. Dezember 2016). Diese Werte ermittelte die C GmbH wie folgt:
Beträge, die der Bank zustehen:
– |
ausgereichtes Darlehen |
XXX.XXX,XX Euro |
– |
Verzinsung |
XX.XXX,XX Euro |
Beträge, die dem Darlehensnehmer zustehen:
– |
gezahlte Beträge |
XXX.XXX,XX Euro |
– |
Nutzungsentschädigung (bei einem Basiszins + 2,5%Punkte): |
XX.XXX,XX Euro |
In den Rechtsbehelfsakten befindet sich ein weiteres – nicht vollständiges – Gutachten vom 23. August 2016 (Stichtag 31. August 2016), das von einem Gesamtvorteil von XX.XXX,XX Euro ausgeht. Dies beruht auf einer Berechnung der Nutzungsentschädigung unter Zugrundelegung des Basiszinses zzgl. 5% Punkte.
Im Rahmen eines am Landgericht D. unter dem Aktenzeichen […] gegen die Bank geführten Rechtsstreits wegen des Widerrufs der Darlehensverträge schlossen die Kläger mit der Bank am 7. April 2017 einen Vergleich (s. Beschluss des LG D. vom […]). Darin wird in § 1 festgestellt, dass die Kläger berechtigt sind, die streitgegenständlichen Darlehen ohne Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig zum 30. März 2017 in aktueller Höhe an die Bank vor Ablauf der Zinsbindungsfrist zurückzubezahlen.
In § 3 des Vergleichs wird ausgeführt:
„Die Beklagte verpflichtet sich, an die Kläger Nutzungsersatz in Höhe von EUR XX.XXX,XX brutto zu bezahlten, der 2 Wochen nach vollständiger Rückführung des Darlehenssaldos gem. § 1 zur Zahlung fällig ist. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte aus diesen Betrag anfallende Kapita...