Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Bahncard 100 als vorweggenommene Werbungskosten. Vergleichsrechung bei Ansatz der Entfernungspauschale. Abflussprinzip
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen für den Erwerb der Bahncard 100 sind im Kalenderjahr der Zahlung unabhängig von einer Vergleichsrechnung i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG als vorweggenommene Werbungkosten absetzbar.
2. Ausgaben für die Bahncard 100 sind keine regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG.
3. Die Regelung über die steuerliche Anerkennung der Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG 2005) stellt keine Ausnahmevorschrift zu § 11 Abs. 2 EStG dar.
Normenkette
EStG 2005 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 2 Sätze 1-2, § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Sätze 1-2
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 5. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2007 wird dahingehend abgeändert, dass weitere Werbungskosten des Klägers aus nicht selbständiger Arbeit i.H.v. 2.518,90 EUR berücksichtigt werden.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 3/20 und der Beklagte 17/20.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für eine vorab bezahlte Jahreskarte als Werbungskosten im Kalenderjahr der Zahlung absetzbar sind.
Der in X wohnhafte Kläger erzielte im Streitjahr 2005 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Tonmeister bei einem Arbeitgeber mit Sitz in X sowie als Dozent bei einem zweiten Arbeitgeber mit Sitz in Y. Von 1. Januar bis 4. Dezember 2005 fuhr der Kläger 23 Mal mit dem Pkw von seiner Wohnung zu der 479 km entfernt gelegenen Arbeitsstelle in Y. Nach Erwerb einer noch im Kalenderjahr 2005 bezahlten DB-Bahncard 100 mit Gültigkeit von 5. Dezember 2005 bis 4. Dezember 2006 zum Preis von 2.950 EUR pendelte der Kläger vom 5. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2005 noch drei Mal mit dem Zug zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
In der am 3. Januar 2007 beim beklagten Finanzamt (FA) eingegangenen Einkommensteuererklärung für 2005 machte der Kläger bzgl. der Fahrten nach Y folgende Aufwendungen als Werbungskosten geltend (Bl. 8 ESt-Akten):
Entfernungspauschale X-Y bis 4.12.2005 |
|
23 * 479 km * 0,30 EUR/km = |
3.305,10 EUR |
DB Card 100 |
2.950,00 EUR |
Im Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 1. März 2007 erkannte das FA insoweit lediglich Werbungskosten i.H.v. 3.305,10 EUR an, nicht aber die Kosten für die DB Card 100 (Bl. 28 ESt-Akten).
Dagegen legten die Kläger am 8. März 2007 Einspruch ein. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 40/04, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2005, 712) entschieden, dass die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Prüfung, ob der Ansatz der tatsächlichen Kosten für öffentliche Verkehrsmittel oder der Ansatz der Entfernungspauschale günstiger ist, tagesbezogen durchzuführen sei. Aus der Vergleichsberechnung resultierten höhere tatsächliche Kosten :
Entfernungspauschale X-Y ab 5.12.2005 |
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3 * 479 km * 0,30 EUR/km = |
431,10 EUR |
DB Card 100 |
2.950,00 EUR |
Daneben gelte weiterhin das in § 11 EStG genannte Zu- und Abflussprinzip. Die Bahncard sei am 5. Dezember 2005 gekauft und bezahlt worden.
Daraufhin erging am 5. Oktober 2007 ein Teilabhilfebescheid (Bl. 34 ESt-A.), in dem die Entfernungspauschale für weitere drei, nunmehr insgesamt 26 Fahrten nach Y gewährt wurde :
26 * 479 km * 0,30 EUR/km = |
3.736,20 EUR |
In der Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2007 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das Zu- und Abflussprinzip sei im Streitfall ohne Bedeutung. Bzgl. der Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 EStG handele es sich um eine Regelung, die – ebenso wie § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 S. 1 EStG – den Grundsatz des § 11 Abs. 2 EStG einschränke.
Im Rahmen der Günstigerprüfung des § 9 Abs. 2 S. 2 EStG seien die Kosten der Bahncard auf die Fahrten während ihrer Gültigkeit aufzuteilen. Diese Kosten habe der Kläger nicht nur für die drei Fahrten im Dezember 2005, sondern für sämtliche Fahrten mit der Bahncard 100 während ihrer einjährigen Gültigkeit aufgewandt.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 3. November 2007, eingegangen bei Gericht am 5. November 2007, in der unter Aufrechterhaltung der Argumentation aus dem Einspruchsverfahren der Antrag gestellt wurde, die Kosten für die Bahncard 100 i.H.v. 2.950 EUR als Werbungskosten zu berücksichtigen. Nach der Regelung des § 11 Abs. 2 EStG erweise es sich als unerheblich, welchem Zeitraum eine Zahlung wirtschaftlich zuzuordnen sei. Eine periodengerechte Rechnungslegung finde im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht statt.
Während des Klageverfahrens reduzierten die Kläger ihr Klagebegehren um die drei Fahrten, d...