Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Steuerabzugsbeträgen aufgrund Aufhebung der Vollziehung. Anforderungen an wirksame Aufhebung der Vollziehung. Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1989
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Aufhebung der Vollziehung war im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung auch schon vor der gesetzlichen Verankerung durch § 361 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 zulässig (hier: Aufhebung der Vollziehung mit der Folge der Erstattung von Steuerabzugsbeträgen).
2. Aufhebung der Vollziehung bedeutet die Rückgängigmachung bereits eingetretener Wirkungen des angefochtenen Verwaltungsakts, wodurch der Einspruchsführer einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO 1977 erhält.
3. Eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung ist auch ohne ausdrücklichen Antrag von Amts wegen möglich und daher auch bei einem Hinausgehen über den vom Steuerpflichtigen gestellten Antrag wirksam und nicht nichtig.
4. Art. 97 § 1 Abs. 6 EGAO i.F. von Art. 20 Nr. 1 JStG 1997 -Anwendung der Neufassung von § 361 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 auf alle am 28.12.1996 anhängigen Verfahren – betrifft nur alle an diesem Stichtag beim FA anhängigen AdV-Anträge, über die das FA noch nicht entschieden hatte.
5. Eine Aufhebung der Vollziehung ist auch dann wirksam, wenn sich aus der Verfügung nicht ziffernmäßig der Betrag ergibt, hinsichtlich dessen die Aufhebung angeordnet worden ist. Im Tenor der Aufhebungsverfügung muss nicht besonders angeordnet werden, dass gezahlte Steuer zu erstatten ist.
Normenkette
AO 1977 § 361 Abs. 2 S. 4, § 37 Abs. 2, § 124 Abs. 2, § 125; EGAO Art. 97 § 1 Abs. 6; JStG 1997 Art. 20 Nr. 1; FGO § 69; EStG § 36 Abs. 2 Nr. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin (Klin) ist ledig. Sie wird zur Einkommensteuer (ESt) vom Finanzamt …, dem Beklagten (Bekl) veranlagt
Ihre ESt-Erklärung 1989 hat die Klin beim Bekl am 07. Juni 1991 eingereicht. Als Empfangsbevollmächtigter wurde darin der Prozessbevollmächtigte benannt. Mit ESt-Bescheid 1989 vom 30. September 1991 setzte der Bekl die ESt 1989 in Höhe von 14.694 DM fest Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten bekanntgegeben.
Ausweislich des vorgenannten Bescheides wurden auf die ESt-Schuld angerechnet einbehaltene Lohnsteuerabzugsbeträge in Höhe von 19.144 DM und einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von 244 DM, so dass sich ein Guthaben an ESt zugunsten der Klin in Höhe von 4.694 DM ergab.
In dem Abrechnungsteil des vorgenannten Bescheides rechnet der Bekl mit seinem demnächst fälligen Anspruch auf Rückzahlung von gewährter Sparzulage in Höhe von 144 DM gegen den Erstattungsanspruch der Klin auf, so dass von dem Guthaben der Klin noch ein Betrag in Höhe von 4.550 DM verblieb. Dieses Guthaben an ESt nebst Guthaben an Zinsen zur ESt in Höhe von 138 DM und ev. Kirchensteuer (KiSt) in Höhe von 356,00 DM, insgesamt also 5.044 DM hat der Bekl am 4. Oktober 1991 an die Klin erstattet.
Gegen den ESt-Bescheid 1989 vom 30. September 1991 ließ die Klin am 31. Oktober 1991 Einspruch einlegen. Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 1995 setzte der Bekl unter Abänderung des ESt-Bescheides 1989 vom 30. September 1991 die ESt auf 18.717 DM fest und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück.
In der Einspruchsentscheidung rechnete der Bekl auf die festgesetzte ESt-Schuld von 18.717 DM einbehaltene Lohnsteuerabzugsbeträge in Höhe von 19.144 DM und einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von 244.000 DM an, so dass sich ein Guthaben an ESt zugunsten der Klin in Höhe von 671 DM ergab. Im Abrechnungsteil der Einspruchsentscheidung heißt es bezüglich der ESt wie folgt (Rechtsbehelfsakte ESt Bl. 49):
Abzurechnen sind |
./. 671,00 DM |
bereits getilgt |
./. 4.694,00 DM |
Unterschiedsbetrag |
4.023,00 DM |
Ausgleich durch Verrechnung |
0,00 DM |
noch zu zahlen |
4.023,00 DM |
Am 9. August 1995 ließ die Klin Klage erheben, mit dem Antrag, die größeren Instandhaltungsaufwendungen 1989 in Höhe von 45.204 DM mit 75 vom Hundert als Werbungskosten anzuerkennen (12 K 152/95).
Am 17. August 1995 ließ die Klin beim Bekl unter Hinweis auf die eingereichte Klage Aussetzung der Vollziehung des ESt-Bescheids 1989 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 1995 beantragen.
Zum Zeitpunkt dieses Antrags war die Finanzverwaltung durch bundeseinheitlichen Erlass angewiesen, die Vollziehung eines Steuerbescheids insoweit nicht aufzuheben als dies zu einer vorläufigen Steuererstattung führt. Es heißt insoweit in dem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) IV A 6 – S 0623 – 18/88 vom 12. Dezember 1988 (BStBl I 1989, 2) unter Tz 2.3.1 wie folgt:
„Nach der Rechtsprechung sind vollziehbar insbesondere – die eine (positive) steuerfestsetzenden Steuerbescheide, soweit nach Anrechnung der entrichteten Vorauszahlungen sowie der Steuerabzugs- und Körperschaftsteuerbeträge eine Zahlungsschuld verbleibt, BFH-Beschluss VIII B 108/79 vom 05.08.80, BStBl II 1981, 35; VIII B 138/81 vom 15.06...