Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrieb von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde als nichtunternehmerische Tätigkeit. Vorsteuerabzug. Widmung für den Allgemeingebrauch
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Frage, ob die Behandlung einer Gemeinde als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, kommt es auf die jeweilige Tätigkeit als solche, nicht aber auf die Verhältnisse auf einem bestimmten lokalen Markt an. Maßgeblich ist dabei nicht nur der gegenwärtige, sondern auch der potentielle Wettbewerb, sofern die Möglichkeit des Markteintritts für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer real und nicht rein hypothetisch ist.
2. Die mit der sog. Kurtaxe entgoltenen Leistungen einer Gemeinde in ihrer Gesamtheit „Betrieb von Kureinrichtungen”) können nicht von privaten Anbietern erbracht werden, da private Anbieter nicht in der Lage sind, das gleiche Bedürfnis der Kurgäste zu befriedigen. Die Gemeinde ist daher diesbezüglich als Nichtunternehmerin zu behandeln.
3. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann nur insoweit gemäß § 27 Abs. 22 S. 3 UStG zur Behandlung als Steuerpflichtige optieren, als § 2 Abs. 3 UStG bei richtlinienkonformer Auslegung inhaltlich von § 2b UStG abweicht.
4. Selbst wenn man davon ausginge, dass hinsichtlich des Betriebs von Kureinrichtungen die Unternehmereigenschaft zu bejahen wäre, schiede ein Vorsteuerabzug aus, soweit die Einrichtungen und Anlagen, hinsichtlich derer ein Vorsteuerabzug begehrt wird, nicht umsatzsteuerpflichtig vermietet oder verpachtet sind oder sie dem Allgemeingebrauch gewidmet oder – jedenfalls – öffentliche Einrichtungen sind.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 2 Abs. 3, §§ 2b, 27 Abs. 22 S. 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist der Vorsteuerabzug einer Gemeinde aus Rechnungen in den Jahren 2009 bis 2012 (Streitjahre).
1. Die Klägerin ist ein staatlich anerkannter Heilklimatischer Luftkurort im Landkreis […]. Es existieren u.a. zwei Reha-Kliniken.
2. Die Kurverwaltung der Klägerin wird seit 1. Januar 1997 zuletzt unter der Bezeichnung „[…] A” kommunalrechtlich als Eigenbetrieb geführt (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg –GemO–) und körperschaftsteuerlich als Betrieb gewerblicher Art (BgA) behandelt (nachfolgend: Kurbetrieb). Die Klägerin erhebt eine Kurtaxe auf der Grundlage von § 4 GemO i.V.m. §§ 2, 8 Abs. 2 und 43 des Kommunalabgabengesetzes für Baden-Württemberg (KAG) überwiegend von Patienten und Besuchern der Reha-Kliniken (Kurtaxesatzung –KTS–). Die Einnahmen aus der als umsatzsteuerpflichtig behandelten Kurtaxe betragen (USt-Akte I, Bl. 65, 79, 88 und 104):
Jahr |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
Einnahmen brutto in Euro |
248.723,22 |
239.867,78 |
236.948,60 |
246.067,35 |
Der Kurpark, das Kurhaus sowie die sonstigen Anlagen und Wege sind für jedermann frei zugänglich. Eine Kurkarte wird nicht zum Eintritt benötigt.
3. In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre gab die Klägerin folgende Beträge an (USt-Akte, Bl. 60 ff., 75 ff., 83 ff., 98 ff.):
Jahr |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
Umsatzsteuer auf steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistungen unentgeltliche Wertabgaben und nach § 14c UStG in Euro |
109.237,25 |
105.863,95 |
109.027,16 |
93.835,66 |
Vorsteuerbeträge gesamt in Euro |
318.771,12 |
464.965,72 |
292.866,29 |
280.019,32 |
Umsatzsteuer in Euro |
./. 209.533,87 |
./. 359.101,77 |
./. 183.839,13 |
./. 186,183,66 |
Im Rahmen dessen begehrte sie hinsichtlich des Kurbetriebs den Vorsteuerabzug aus allen Eingangsleistungen, die mit dem Fremdenverkehr zusammen, in folgender Höhe (USt-Akte, Bl. 64, 77, 87, 102):
Jahr |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
Vorsteuer in Euro |
205.480,16 |
294.435,63 |
149.455,75 |
180.876,70 |
4. Der Beklagte führte bei der Klägerin für die Streitjahre vom 8. Oktober 2012 bis 31. Oktober 2014 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung (USt-Sp) durch und stellte Folgendes fest (vgl. Prüfungsbericht vom 27. Februar 2015, Tz. 17 bis 23, USt-Akte II, Bl. 5 ff):
[…] – Kurbetrieb (Tz. 17)
Zum BgA mit der Möglichkeit zum Vorsteuerabzug würden der Kurpark und das Kneipptretbecken gehören. Für das Kurhaus könne nur ein anteiliger Vorsteuerabzug gewährt werden, soweit eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung der Gaststätte oder eine sonstige steuerpflichtige Endnutzung von Räumen gegen Entgelt vorliege. Wege, Loipen und andere Einrichtungen außerhalb des Kurparks könnten dem Kurbetrieb nicht zugerechnet werden und berechtigten nicht zum Vorsteuerabzug. Dies gelte auch für die anteiligen Kosten für Gärtnerei und Bauhof, die Aufwendungen für den Q-Park […] (u.a. für dessen Beschilderung), für die Hundekotbeutel (hoheitliche Abfallbeseitigung) und die Eventtage, die das Bild der Gemeinde verbessern sollten und die Förderung des Einzelhandels zum Ziel hätten (Tz. 17).
[…] Park und Pavillon (Tz. 17a)
Im Jahr 2011 habe...