Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Lohnsteuer-Abzugsbeträgen 1976 bis 1979
Nachgehend
Tenor
Die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 17. Oktober 1995 und der Abrechnungsbescheid vom 18. Mai 1984 werden ersatzlos aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der dem Kläger zu erstattenden Kosten oder durch Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 148.340 DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids im Sinne des § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO).
Der inzwischen geschiedene Kläger war in den Streitjahren 1976 bis 1979 mit … verheiratet. Sie lebten im Güterstand der Gütertrennung. … betrieb in … ein Textileinzelhandelsgeschäft, das sie von dem Vater des Klägers übernommen hatte. Der Kläger war bei ihr als Prokurist angestellt. Er erhielt ein laufendes Gehalt. Außerdem wurde ihm eine Tantieme in Höhe von 3. v. H. des Jahresumsatzes gutgeschrieben. … nahm die Tantiemen in die Lohnsteueranmeldungen auf und führte die darauf entfallende Lohn- und Kirchensteuer ab. Mit den abgeführten Steuerbeträgen wurde das Tantiemekonto des Klägers belastet. Die einbehaltene Lohn- und Kirchensteuer wurde auf der Lohnsteuerkarte des Klägers bescheinigt. Im Anschluß an eine bei … für die Streitjahre durchgeführte Betriebsprüfung erkannte der Beklagte die dem Kläger gutgeschriebenen Tantiemen nicht an, weil diese nicht ausbezahlt, sondern lediglich als Schuldposten in den Bilanzen der … auswiesen worden waren. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung fehlten auch Vereinbarungen über Verzinsung und Rückzahlung der Schuld. Mit rechtskräftigem Urteil vom 15. Juni 1989 (12 U 275/86)/(80203/82) entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe u.a., daß … 8 O 203/82 an den Kläger eine Tantieme in Höhe von 349.121,16 DM (= Schuldposten in der Steuerbilanz der … zum 31. Dezember 1979) zu zahlen habe. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß der Kläger neben seinem laufenden Gehalt eine Tantieme in Höhe von 3. v. H. des Jahresumsatzes habe beanspruchen können.
Wegen der steuerlichen Nichtanerkennung der Tantiemevereinbarung erstattete der Beklagte … die für die Tantiemen 1976 bis 1979 abgeführten Lohn- und Kirchensteuerbeträge in Höhe von zusammen 148.340,84 DM. Der Beklagte vertrat die Ansicht, daß … als Arbeitgeberin die Abzugsbeträge zustehen würden, weil eine Tantieme tatsächlich nicht gezahlt worden sei. Mit Bescheid vom 12. Dezember 1986 forderte der Beklagte jedoch von … die erstatteten Beträge in voller Höhe wieder zurück. Der Beklagte vertrat nunmehr die Auffassung, daß … mit der Zahlung der Steuerbeträge eine Schuld des Klägers als Arbeitnehmer getilgt habe. Die von ihr zu Unrecht entrichteten Beträge seien daher an den Kläger zu erstatten. Gegen den Rückforderungsbescheid legte … Einspruch ein, der erfolglos blieb. Gegen die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 02. Januar 1989 erhob … Klage beim erkennenden Senat (Az.: 10 K 27/89). Die Klage hatte Erfolg. Der Senat sah … als Erstattungsberechtigte an, weil sie die Lohn- und Kirchensteuer abgeführt habe, ohne daß ein entsprechender Arbeitslohn gezahlt worden sei. Zu dem Verfahren war der Kläger beigeladen worden. Gegen das Senatsurteil vom 24. März 1994 10 K 27/89 legte der Kläger Revision ein, die der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluß vom 19. April 1995 VI R 49/94 als unbegründet zurückwies. Der BFH teilte die Auffassung des Senats, daß … nicht für Rechnung des Klägers habe leisten können, da die Tantiemezahlungen steuerlich nicht anerkannt worden seien.
In ihren Einkommensteuer-Erklärungen für die Streitjahre hatten der Kläger und … die Zusammenveranlagung beantragt. Deshalb ergingen auch die Änderungsbescheide, die der Beklagte im Anschluß an die bei … für die Streitjahre durchgeführte Betriebsprüfung erlassen hatte, zunächst im Wege der Zusammenveranlagung. Nach einer Besprechung beim Beklagten stellte der Kläger mit Schreiben vom 27. August 1982 den Antrag, für die Streitjahre eine getrennte Veranlagung durchzuführen. Mit Schreiben vom 07. September 1982 teilte der Beklagte daraufhin dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers die steuerlichen Auswirkungen einer getrennten Veranlagung mit und bat um Überprüfung der Berechnungen. Am 01. Februar 1983 erließ der Beklagte entsprechend diesem Schreiben im Wege der getrennten Veranlagung gegenüber dem Kläger für 1976 bis 1979 geänderte Einkommensteuer-Bescheide. In diesen Änderungsbescheiden wurden die dem Kläger gutgeschriebenen Tantiemen nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfaßt, wohl aber die in Rede stehende Lohn- und Kirchensteuer in Höhe von zusammen 148.340,8...