Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der als Gesellschafterin einer vermeintlichen Ehegatten-GbR aufgetretenen, tatsächlich aber nur als Strohfrau eingeschalteten Ehefrau für die Umsatzsteuerschulden der Schein-GbR
Leitsatz (redaktionell)
1. Gesellschafter einer GbR haften für Unternehmenssteuern in entsprechender Anwendung des § 128 HGB. Auch wenn tatsächlich keine GbR bestehen sollte, muss derjenige, der gegenüber der Finanzbehörde als Gesellschafter einer Personengesellschaft auftritt, sich nach dem Maß des von ihm erzeugten Rechtsscheins so behandeln lassen, als ob die Gesellschaft bestanden hätte, die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuern für die Gesellschaft entstanden wären und er selbst Gesellschafter gewesen wäre (hier: tatsächlich nur als Strohfrau tätige Ehefrau als Haftungsschuldnerin für die Umsatzsteuerschulden der vermeintlichen Ehegatten-GbR).
2. Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids wird nicht dadurch berührt, dass auf die Haftungsschuld voll oder teilweise gezahlt worden ist.
Normenkette
AO 1977 § 191 Abs. 1 S. 1, § 218 Abs. 1; HGB § 128
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Anschrift: Finanzgericht Baden-Württemberg – Außensenate Karlsruhe –, Postfach 10 01 08, 76231 Karlsruhe
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Tatbestand
Am 08.11.1996 wurden beim Finanzamt Umsatzsteuererklärungen der … für die Streitjahre 1993, 1994 und 1995 eingereicht. Die Erklärungen sind jeweils von der Klägerin unterschrieben. Aus den Erklärungen ergeben sich folgende Abschlusszahlungen: 22.818,22 DM für 1993; 38.088,63 DM für 1994; 12.126,35 DM für 1995.
Am 10.01.1997 erging gegenüber der Klägerin für die vorgenannten Umsatzsteuerschulden der … zuzüglich Nebenabgaben, insgesamt 77.258,20 DM, ein Haftungsbescheid. In dem Bescheid heißt es: Die Klägerin sei in den Streitjahren Mitglied der Gesellschaft und damit verpflichtet gewesen, dafür zu sorgen, dass die Steuern bezahlt werden. Gesellschafter einer GbR hafteten für sämtliche Gesellschaftsschulden als Gesamtschuldner auf den vollen Betrag. Gegen den Gesellschafter … sei ein Haftungsbescheid gleichen Inhalts ergangen. Gegen den Haftungsbescheid vom 10.01.1997 hat die Klägerin mit Schreiben vom 20.01.1997 am 27.01.1997 Einspruch eingelegt.
In einem für die … erstellten Prüfungsbericht der Steuerfahndungsstelle vom 08.12.1997 heißt es u.a.:
”Einkünfte aus Gewerbebetrieb – Provisionseinkünfte –
Auf den Namen seiner Ehefrau … hat … zur einen Hälfte, sowie … zur anderen Hälfte aus der Geschäftsbeziehung zwischen der Fa. … und der Fa. … eine Umsatzprovision i.H.v. 5,– DM pro qm (für die Jahre 1993 und 1994) bzw. 4,– DM pro qm (ab 01.01.1995) verkaufter Fassadenfläche erhalten.
Die Einnahmen für die Jahre 1993 bis 1995 wurden in inzwischen beim Finanzamt Rastatt eingereichten Gewinnfeststellungserklärungen für die … nacherklärt (Eingangsdatum 08.11.96).
Die Provisionszahlungen erfolgten auf ein eigens dafür eingerichtetes Konto bei der Volksbank K.Nr. …, Bevollmächtigter: …
Der Gesellschafter … nahm den Einspruch gegen den ihm gegenüber ergangenen Haftungsbescheid am 21.09.1999 zurück.”
Mit Einspruchsentscheidung vom 16.05.2001 wurde der Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung führt u.a. aus:
Zwar seien nach den Feststellungen der Steuerfahndung der Klägerin keine Gewinnanteile zugerechnet worden, so dass sich die Frage stelle, ob sie überhaupt Gesellschafterin der GbR sei. Allerdings habe sich die Klägerin gegenüber der Finanzverwaltung als Gesellschafterin bezeichnet, nicht zuletzt in den Feststellungserklärungen 1993 bis 1995. Durch diese Tätigkeit als bloße „Strohfrau” könne sie sich nicht der von ihr selbst gesetzten Verantwortlichkeit als GbR-Gesellschafterin entziehen. Bereits die Duldung des Verhaltens des mutmaßlichen Gesellschafters – also des Ehemanns … – führe zur Erfüllung der zivilrechtlichen Haftungstatbestände. Letztendlich sei es auch so, dass die Haftungssumme im Benehmen mit dem Ehemann der Klägerin und dem weiteren Beteiligten … entrichtet worden sei, so dass der vorliegend angefochtene Haftungsbescheid ohnehin vom Grundsatz her seine wirtschaftliche Bedeutung verloren habe.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 16.05.2001 hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.06.2001, beim Gericht eingegangen am 11.06.2001, Klage erhoben. Sie bringt u.a. vor (Schreiben vom 29.04.2005): Nach den Einlassungen des Beklagten stehe fest, dass die rückständigen Steuern getilgt seien, und zwar von beiden Haftungsschuldnern. Damit sei der Primäranspruch erloschen; der Haftungsbescheid sei aufzuheben.
Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid vom 10.01.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.05.2001 aufzuheben.
Der Beklagte beant...