Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsfähigkeit einer Rücklage für Ersatzbeschaffung bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Schuld i. S. des § 103 BewG 1991. Einheitswert des Gewerbebetriebs zum 01.01.1996
Leitsatz (amtlich)
Eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gemäß R 35 EStR 1993 mindert wegen des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Zulassung der Abzugsfähigkeit den Einheitswert des Betriebsvermögens nach § 103 Abs. 3 BewG 1991 nicht. Auch aus der Einführung des sog. Steuerbilanz-Prinzips in § 109 BewG 1991 i.d.F. v. 25.2.1992 kann nicht gefolgert werden, dass jeder sich in der Steuerbilanz auswirkende passive Posten das Betriebsvermögen mindert. Die Vorschrift des § 103 BewG 1991 geht insoweit § 109 BewG 1991 vor.
Normenkette
BewG 1991 § 103 Abs. 3; EStR 1993 R 35; BewG 1991 § 109 i.d.F. 25.2.1992, § 95
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, inwieweit eine Rücklage für Ersatzbeschaffung als Schuldposten das Betriebsvermögen mindert.
Die Klägerin betreibt die Herstellung von Bauteilen aus …. Am 4. Dezember 1995 zerstörte ein Brand das seinerzeit vorhandene Fabrikationsgebäude, die darin eingebauten Einrichtungen und den dortigen Maschinenpark. Aufgrund der von der Klägerin abgeschlossenen Feuer-, Elektronik- und Betriebsunterbrechungsversicherungen ergaben sich erhebliche Versicherungsleistungen, die unter anderem zur Aufdeckung von stillen Reserven in den eigenen Anlagegütern der Klägerin führten. Neben einer Rückstellung für unterlassene Instandhaltung bildete die Klägerin im Abschluss für 1995 eine Rücklage für Ersatzbeschaffung in Höhe von rd. 7,2 Mio DM (Abschnitt 35 Einkommensteuer-Richtlinien –EStR–). Die Rücklage ist in der Bilanz unter Sonderposten mit Rücklageanteil ausgewiesen.
In der… Vermögensaufstellung auf den 1.1.1996 gab die Klägerin die Rücklage in voller Höhe unter den Schuldposten und Abrechnungen an und ermittelte ein Betriebsvermögen in Höhe von rd. 1,3 Mio DM. Im Einheitswertbescheid auf den 1.1.1996 … berücksichtigte das FA die Rücklage nicht als Schuldposten, sondern stellte den Einheitswert des Betriebsvermögens auf rd. 8,5 Mio DM fest. Den Einspruch der Klägerin … wies das FA … zurück. Dagegen richtet sich die … Klage.
Die Klägerin macht … geltend, seit der grundlegenden Änderung des Bewertungsgesetzes ab dem 1.1.1993 stehe für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens insbesondere aufgrund von § 109 Bewertungsgesetz (BewG) die Buchwertfortführung eindeutig im Vordergrund. Seitdem sei es nicht mehr Ziel der Einheitsbewertung, die stillen Reserven im Anlagevermögen vollständig zu erfassen. Ziel der gesetzgeberischen Kehrtwende sei es, ertragsunabhängige Betriebssteuern zu minimieren. Stille Reserven in beweglichen Anlagegütern sollten nicht mehr der Gewerbekapitalsteuer oder der Vermögensteuer unterworfen werden. Dies beziehe sich nach dem Wortlaut von § 109 Abs. 1 BewG ausdrücklich nicht nur auf „Schulden”, sondern auch auf „sonstige passive Ansätze”, zu denen die „Rücklage für Ersatzbeschaffung” als „Sonderposten mit Rücklageanteil” zähle.
Auf dem Gebiet der Ertragsteuern sei die steuerlich nicht gerechtfertigte Erfassung stiller Reserven durch die Möglichkeit der sogenannten Rücklage für Ersatzbeschaffung i. S.v. Abschnitt 35 EStR vermieden worden. Dieses Ergebnis müsse auch für die ertragsunabhängigen Steuern aufgrund der neuen gesetzgeberischen Absicht dadurch herbeigeführt werden, dass die Rücklage für Ersatzbeschaffung als Schuldposten berücksichtigt werde und dadurch den Einheitswert mindere.
Es werde nicht verkannt, dass die Rechtsprechung und Literatur früher den Abzug der Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht zugelassen habe. Diese Ansicht basiere aber auf dem früheren Rechtszustand und sei total veraltet, nachdem die Gesetzgebung erstmals zum 1.1.1993 die Buchwertfortführung bei der Einheitsbewertung ermöglicht habe. Das Gesetz (§ 103 Abs. 3 BewG) definiere den Begriff der Rücklage nicht. Die handelsrechtlichen Bilanzpositionen sogenannter echter Rücklagen seien eindeutig dem Eigenkapital zuzurechnen und könnten selbstverständlich nicht als Betriebsschulden abgesetzt werden. Hierzu gehörten jedoch nicht die Sonderposten mit Rücklageanteil, zu denen auch die sogenannte Rücklage für Ersatzbeschaffung gehöre. Diese Sonderposten hätten keinerlei Gemeinsamkeiten mit den sogenannten echten Rücklagen, auf die § 103 Abs. 3 oder § 95 Abs. 3 BewG anwendbar seien. Nach § 273 Handelsgesetzbuch (HGB) seien die Sonderposten in der Bilanz getrennt zwischen dem Eigenkapital und den Rückstellungen auszuweisen. Darin werde gezeigt, dass sie zwischen dem Eigenkapital und dem Fremdkapital stünden, weil sie beide Elemente in sich vereinigten, und keine Rücklagen im ureigensten Sinne seien.
Vor diesem Hintergrund müsse davon ausgegangen werden, dass sich § 103 Abs. 3 BewG nur auf Rücklagen beziehe, die reinen Eigenkapit...