Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Billigkeitserlass geschuldeter Einkommensteuer wegen Finanzierung des Militärhaushalts mit dem Steueraufkommen. Erlass und Stundung von Einkommensteuer 1998

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerpflichtiger kann nicht unter Berufung auf das Grundrecht der Gewissensfreiheit den Erlass seiner Einkommensteuerschulden begehren, weil der Staat mit dem Steueraufkommen u. a. seinen Militärhaushalt finanziert.

 

Normenkette

AO 1977 § 227; GG Art. 4 Abs. 1, Art. 87a Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 16.10.2003; Aktenzeichen IV B 46/02)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für einen Teil der von der Klägerin geschuldeten Einkommensteuer (ESt) Billigkeitsmaßnahmen deshalb geboten sind, weil der Steuergläubiger mit dem Steueraufkommen auch einen Militärhaushalt finanziert.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr aus einer Tätigkeit als Friedenspädagogin – durch die Veranstaltung und Leitung von Seminaren und Vorträgen mit dem Schwerpunkt „gewaltfreie Konfliktaustragung/Mediation” – Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–) sowie solche aus Unterhaltsleistungen (§§ 22 Nr. 1 a, 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG), deren Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Zugleich mit der Festsetzung der ESt für 1997 setzte das Finanzamt (FA) ihr gegenüber unter Berücksichtigung der dabei angesetzten Besteuerungsgrundlagen in einem gesonderten Bescheid vom 24. September 1998 ESt-Vorauszahlungen für das 4. Quartal des Kalenderjahres 1998 in Höhe von DM und für nachfolgende Quartale in Höhe von jeweils DM fest.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 1998 wies die Klägerin darauf hin, dass sie von der letzten Steuerrate für 1998 100 DM einbehalten habe, um dadurch ihrer Weigerung Ausdruck zu verleihen, zum Militärhaushalt der Bundesregierung beizutragen. Sie berief sich auf die durch Artikel 4 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Gewissensfreiheit. Mit ihrem Gewissen lasse es sich nicht vereinbaren, die Bundesregierung in der Vorbereitung und Durchführung kriegerischer Auseinandersetzungen zu unterstützen, wozu sie über die Verpflichtung zur Steuerzahlung letztlich gezwungen werde. Im Hinblick auf die darin liegende erhebliche Härte bzw. Unbilligkeit beantragte sie, den von ihr einbehaltenen Teilbetrag von 100 DM so lange zu stunden, bis gewährleistet ist, dass ihre Steuern für friedensschaffende Zwecke verwendet werden, erklärte sich jedoch für den Fall der Befreiung von der Pflicht zur Steuerzahlung bereit, den entsprechenden Betrag an eine Institution zu überweisen, die der Förderung des Friedens mit nichtmilitärischen Mitteln dient.

Das FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 21. Dezember 1998 ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einem Schreiben vom 20. Januar 1999, welches vom FA als Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid behandelt wurde. Durch Entscheidung vom 4. März 1999 wies die Behörde den Einspruch als unbegründet zurück. Der Umstand, dass mit dem Steueraufkommen auch Verteidigungsaufgaben finanziert werden, lasse die Erhebung der Steuern nicht unbillig erscheinen. Die Berufung auf das Grundrecht der Gewissensfreiheit rechtfertige unter Berücksichtigung des vorrangigen Budgetrechts der Volksvertretung weder einen Anspruch auf Stundung noch einen solchen auf Erlass von Steuern. Wegen aller Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter II. der Einspruchsentscheidung verwiesen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende – am 6. April 1999 beim Finanzgericht eingegangene – Klage, zu deren Begründung die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten in dem weiterem Schriftsatz vom 1. Juli 1999 anknüpfend an ihre eigene Biographie ausführen ließ, dass und weshalb sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren könne, durch ihre Steuerzahlung militärische Maßnahmen (mit-)finanzieren zu müssen. Die §§ 222 und 227 der Abgabenordnung (AO) böten durchaus die Möglichkeit, ihrem Gewissenskonflikt in der begehrten Weise Rechnung zu tragen. Die dort für die Gewährung eines Billigkeitserweises vorausgesetzte erhebliche Härte müsse nicht unbedingt wirtschaftlicher Natur sein; Grundrechtsbeeinträchtigungen der vorliegend gegebenen Art könnten – und müssten – hierzu ebenfalls Anlass geben. Wegen aller Einzelheiten wird auf den genannten Schriftsatz Bezug genommen.

Zwischenzeitlich ist die ESt 1998 durch Bescheid vom 27. September 1999 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf DM festgesetzt, mit weiterem Bescheid vom 18. Dezember 2000 ist der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden. Beide Bescheide sind der Klägerin zugesandt worden.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 21. Dezember 1998 sowie der Einspruchsentscheidung vom 04. März 1999 das Finanzamt zu verpflichten,

  • von der zuletzt im Bescheid vom 27. September 1999 bezifferten und im Bescheid vom 18. Dezember 2000 erneut festgesetzten ESt 1998 50 EUR
  • so lange zu stunden, bis gewährleistet ist, dass d...

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