rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine steuerliche Berücksichtigung von Schulgeldzahlungen an Schweizer Privatschulen
Leitsatz (redaktionell)
1. Schulgeldzahlungen für die Ausbildung eines Kindes an einer Schweizer Privatschule sind nicht als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung bei der Festsetzung der Einkommensteuer der Eltern zu berücksichtigen.
2. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG i. V. m. § 52 Abs. 24a S. 2 EStG setzt voraus, dass die Privatschule, für deren Besuch ein Entgelt bezahlt wird, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet.
3. Art. 18, Art. 39, Art. 43 und Art. 49 EG sind nicht für Drittstaaten wie die Schweiz anwendbar, da die Schweiz nicht Mitglied der EU ist.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9, §§ 33, 52 Abs. 24a S. 2; EG-Vertrag Art. 18, 39, 43, 49; FZA Art. 1-2, 4-5, 7, 16 Abs. 2, Art. 19, 21 Abs. 2; Wiener Übereinkommen Art. 31 Abs. 1; GG Art. 7 Abs. 4 S. 3, Art. 59 Abs. 2; AO § 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger (Kl) machten in ihrer Einkommen(ESt)-Erklärung 2004 u.a. Aufwendungen für den Besuch der staatlich anerkannten X Schulen in Y ihres 1993 geborenen Sohnes A, dem ältesten von vier Kindern, in Höhe von 13.228 EUR als Sonderausgaben (Schulgeld an eine Ersatz- oder allgemein bildende Ergänzungsschule) geltend. Die X Schulen Y AG (frühere Firmennamen X Schulen Y sowie Privatgymnasium Institut X und Z AG) wurde 1986 in das Handelsregister (HR) des Kantons Y-Stadt eingetragen (HR-Nummer). Ihr Zweck ist das Führen einer Privatschule. Sie ist Mitglied im Verband Schweizerischer Privatschulen. Das Schulgeld betrug für das Sommersemester (Februar-Juli 2004) an der Primarschule 9.450 Schweizer Franken (SFr.) und für das Wintersemester (August 2004 – Januar 2005) am Progymnasium 10.900 SFr. Davon entfielen 250 SFr. pro Jahr auf Lehrmittelkosten. Für Schüler besteht die Möglichkeit von einmaligen Ausbildungsbeiträgen. Die Stiftung Schweizerischer Privatschulen, die 1988 in das HR des Kantons R eingetragen wurde (HR-Nummer) gewährt unter bestimmten Voraussetzungen Stipendien und Studiendarlehen an Schülerinnen und Schüler von Ausbildungsstätten, die einer der Organisationen der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Privatschulen – so wie die X Schulen Y dem Verband Schweizerischer Privatschulen – angehören.
Der Beklagte (Bekl) berücksichtigte die Schulgeldzahlungen nicht steuermindernd, da sich die Schule im Ausland befinde, und setzte mit ESt-Bescheid für 2004 vom 16. September 2005 die ESt in Höhe von 30.642 EUR fest.
A leidet an der ADS-Symptomatik (Träumertypus) und ist eingeschränkt eingliederungsfähig. Er wurde dadurch schon in der 2. Grundschulklasse auffällig und bedurfte intensiver pädagogischer Betreuung. Die Kläger suchten daher mit ihm die schulpsychologische Beratungsstelle in B des Oberschulamts G auf. Diese erstellte am 6. Mai 2003 eine gutachterliche Stellungnahme. Frau C, Oberpsychologierätin, befürwortete einen Schulwechsel in die X Schule Y wegen der Schwächen des Sohnes der Kl. Sie erwähnte auch, dass die Kl nach langer Wartezeit keine Zusage von der Christlichen Schule in V erhalten haben. Wegen der Einzelheiten wird auf Schreiben vom 6. Mai 2003 Bezug genommen (Klage-Akte, S. 151 f.). Darüber hinaus diagnostizierte Frau Dr. Q, Ärztin der Gemeinschaftspraxis Dr. H und Dr. Q Kinder- und Jugendärztinnen in Ö, nach einer Konsultation der Klägerin und einer Untersuchung des Kindes A ADS vom Träumertyp in Verbindung mit „taktil-kinestetische Wahrnehmungsstörung und leichter passagerer psychomotorischer und feinmotorischer Störung”. Wegen der Einzelheiten wird auf ihr Schreiben vom 15. September 2003 Bezug genommen (Klage-Akte, S. 98 f.).
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machen die Kl im Wesentlichen geltend, der Ausschluss ausländischer Schulen vom Sonderausgabenabzug verstoße gegen das Diskriminierungsverbot und das Verbot der Beschränkung der Freizügigkeit. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe mit Urteilen vom 11. September 2007 C-76/05 (Deutsches Steuerrecht (DStR) 2007, 1670) und C-318/05 (Bundesfinanzhof (BFH) Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen (BFH/NV) 2008, Beilage 1, 14) entschieden, dass § 10 Abs. 1 Nr. 9 Einkommensteuergesetz (EStG) gegen die Grundfreiheiten verstoße. Die Grundfreiheiten seien auch im Verhältnis zur Schweiz zu beachten. Der EuGH habe einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gesehen und diese Grundfreiheit gelte auch im Verhältnis zur Schweiz. Dies ergebe sich aus dem Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedern vom 21. Juni 1999 (sog. Freizügigkeitsabkommen – FZA –, Bundesgesetzblatt II 2001, 811). Nach Art. 1 FZA gelten im Verhältnis zur Schweiz sowohl die primären Rechte aus A...