Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsfähigkeit von der Vollziehung ausgesetzter Steuerverbindlichkeiten bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Betriebsschuld. Keine Rückbeziehung einer erst nach dem Bewertungsstichtag erzielten tatsächlichen Verständigung für die Berücksichtigungsfähigkeit einer Steuerschuld
Leitsatz (redaktionell)
1. Steuerschulden, die am Bewertungsstichtag festsetzt sind, sind bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auch dann zu berücksichtigen, wenn trotz im Einspruchsverfahren gewährter Aussetzung der Vollziehung mit einer Inanspruchnahme wahrscheinlich zu rechnen war, weil die Aussetzung der Vollziehung keine erheblichen oder gar überwiegenden Erfolgsaussichten indizierte.
2. Ein erst einige Zeit nach dem Bewertungsstichtag im Rahmen des Rechtsbehelfs- bzw. Klageverfahrens erzieltes, für den Steuerpflichtigen günstiges Ergebnis einer tatsächlichen Verständigung ist nicht auf den Bewertungsstichtag zurückzubeziehen.
Normenkette
BewG 1991 § 105 Abs. 1 Nr. 2, §§ 103, 95; AO 1977 §§ 361, 204, 88
Nachgehend
Tenor
1. Der geänderte Feststellungsbescheid auf den 1.1.1991 und der Feststellungsbescheid auf den 1.1.1992, jeweils vom 29. September 1995, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 4. Februar 1999, wird geändert: Der Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin wird zum 1.1.1991 auf ./. 78.000 DM und zum 1.1.1992 auf ./. 1.058.000 DM festgestellt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, falls die Klägerin nicht ihrerseits Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Für die umstrittenen Feststellungszeitpunkte ist streitig, inwieweit Steuernachforderungen für davor liegende Veranlagungszeiträume als Schuldposten das Vermögen der Klägerin mindern.
Nachdem die Körperschaftsteuer (KSt) für die Jahre 1985–87 zuvor niedriger festgesetzt worden war, erhöhte das damals für die Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzamt (FA) die Steuerfestsetzungen durch Bescheide vom 26. März 1990 und setzte gleichzeitig KSt für 1988 fest. Die gesamten Nachforderungen betrugen (einschließlich geringerer Beträge für die vorangegangenen Veranlagungsjahre) 1.862.671 DM, davon 134.897 DM aufgrund der Feststellungen einer zuvor durchgeführten Betriebsprüfung (Bp). Steuern im Gesamtbetrag von 1.727.774 DM für 1985–88 beruhten auf wirtschaftsrechtlichen, steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit Tätigkeiten der Firma GmbH für die Errichtung einer Anlage zur Herstellung chemischer Kampfstoffe. Die Firma GmbH war mehrheitlich Gesellschafterin der Klägerin und hatte im Zusammenhang mit den genannten Tätigkeiten verschiedene Aufträge an die Klägerin erteilt.
Gegen die fraglichen Steuerbescheide wurde am 12. April 1990 Einspruch eingelegt. Die Klägerin beantragte Aussetzung der Vollziehung der Bescheide. Das FA wies die Einsprüche mit Entscheidungen vom 28. September 1990 zurück. Dagegen erhob die Klägerin am 9. Oktober 1990 Klage zum zuständigen Finanzgericht (FG) und beantragte gleichzeitig erneut Aussetzung der Vollziehung. Am 17. Januar 1991 setzte das zuständige FA die Vollziehung in vollem Umfang aus.
Nachdem der Beklagte (das FA) für die Besteuerung der Klägerin zuständig geworden war, verständigten sich die Beteiligten über einen Abschluss der Besteuerungsverfahren u.a. bezüglich der GmbH und der Klägerin. Aufgrund dessen änderte das FA durch Bescheide vom 19. Oktober 1994 die angefochtenen Bescheide und setzte die Steuern jeweils im umstrittenen Umfang herab. Die Klägerin nahm die anhängige Klage zurück.
In ihrem Jahresabschluss zum 31.12.1989 bildete die Klägerin gewinnmindernde Rückstellungen in Höhe von 1.862.671 DM für KSt-Nachforderungen und in Höhe von 606.522,99 DM für Gewerbsteuer (GewSt)-Nachforderungen. Hiervon wurden im Geschäftsjahr 1990 rund 203.000 DM verbraucht und 357.341 DM aufgelöst. Zugleich wurden der Rückstellung zusammen 400.573 DM für Steuernachforderungen für 1989 zugeführt, sodass sich zum 31.12.1990 Gesamtrückstellungen in Höhe von 2.760.770 DM ergaben. In der selben Höhe wurde die Rückstellung in den Jahren 1991 –1993 weitergeführt und im Jahr 1994 gewinnerhöhend aufgelöst.
Aufgrund der am 6. Dezember 1991 von der Klägerin abgegebenen Vermögensaufstellung auf den 1.1.1991 stellte das damals zuständige FA mit Bescheid vom 22. Mai 1992 unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung – AO –) den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1.1.1991 auf ./. 78.000 DM fest. Das FA änderte diese Feststellung durch Bescheid vom 29. September 1995 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung und erhöhte den Einheitswert auf 1.831.000 DM. Als Schuldposten wurden Rückstellungen für Steuerschulden statt der von der Klägerin geltend gemachten 2.760.770 DM nur für KSt und GewS...