Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht einer Verlustzuweisungsgesellschaft. zeitlicher Geltungsbereich der AO und Reichsabgabenordnung RAO. keine Aufhebung eines negativen Feststellungsbescheides im Billigkeitsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die einkommensteuerliche Feststellung der gewerblichen Einkünfte aus einer Personengesellschaft ist eine zweifache Gewinnerzielungsabsicht erforderlich. Einerseits muss auf der Ebene der Gesellschaft eine Absicht zur Vermehrung des Betriebsvermögens bestehen, andererseits sind aber nur für diejenigen Mitunternehmer Einkünfte festzustellen, die auch persönlich die Absicht haben, aus der Beteiligung einen Gewinn zu erzielen.
2. Eine Verlustzuweisungsgesellschaft, die nach ihrer Konzeption darauf angelegt ist, keinen Gewinn auszuweisen, um für die Dauer mehrerer Jahre den Kapitalanlegern die zugesagten hohen Verluste zuweisen zu können, handelt nicht mit Gewinnerzielungsabsicht.
3. Bei einer Verlustzuweisungsgesellschaft kann eine Gewinnerzielungsabsicht erst dann angenommen werden, wenn sich die in Kauf genommene Möglichkeit der Erzielung eines Totalgewinns in einer solchen Weise konkretisiert hat, dass nach dem Urteil eines ordentlichen Kaufmanns mit großer Wahrscheinlichkeit ein solcher Totalgewinn erzielt werden kann.
4. Allein die verzögerte Abhaltung einer Schlussbesprechung vermag den Lauf der Frist des § 169 Abs. 2 AO nicht in Gang zu setzen.
5. Auch unter der Geltung des § 143 RAO war ein Feststellungsverfahren unzulässig, wenn alle Steuern, für deren Erhebung der Feststellungsbescheid die Grundlage bildet, verjährt waren.
6. § 171 Abs. 4 S. 3 AO ist auf Veranlagungszeiträume vor 1977 nicht anzuwenden.
7. Ein negativer Feststellungsbescheid kann nicht durch eine abweichende Festsetzung nach § 163 AO in sein Gegenteil verkehrt werden.
Normenkette
AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 181 Abs. 1 S. 1, §§ 163, 164 Abs. 4 S. 1, § 171 Abs. 4 S. 1, § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; EStG § 15 Abs. 2; EGAO Art. 97 § 10 Abs. 1 S. 2; RAO §§ 143, 145, 146a
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Eintritt der Feststellungsverjährung, das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht und das Bestehen von Billigkeitsgründen.
Der 1930 geborene Rechtsanwalt und Dipl.-Kfm. A aus B gründete seit Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts eine Reihe von Personengesellschaften, die Hotels in Spanien oder Schiffe in Deutschland – überwiegend im Cverkehr – betrieben. Er steuerte diese direkt als Geschäftsführer oder über Strohmänner. Die Gesellschaften waren personell aber auch kapitalmäßig durch Überkreuzbeteiligungen und Darlehensgewährungen miteinander verflochten. Zu dem Konzern gehörten 1978 noch ca. 20 Gesellschaften, an deren Spitze die Fa. Y & Co. KG in B stand. A gewann mit dem Versprechen hoher Verlustzuweisungen eine Vielzahl von Kapitalanlegern. Die Gesellschafter dieser Unternehmen beschlossen nach Erreichen der zugesagten Verlustquoten ausnahmslos ihre Liquidation.
Nach der am 02.08.1971 erfolgten Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts C (HRA 1…) wurde die Klägerin unter der Firma X & Co. mit einem Kommanditkapital von 50.000 DM gegründet. Nach § 4 des neu gefassten Gesellschaftsvertrags vom 01.06.1972 betrug das Kommanditkapital bereits 76.000 DM, aufgeteilt in 760 Anteile á 100 DM. Komplementärin wurde die D-GmbH. Sie wurde 1972 in X – E mbH umbenannt. Geschäftsführer der GmbH war bis 31.12.1976 G, der treuhänderisch auch das Stammkapital hielt. Vom 01.01. bis 31.12.1977 soll ein F die Geschäfte geführt haben, ohne allerdings im Handelsregister eingetragen worden zu sein. Als Gegenstand der unternehmerischen Betätigung der Klägerin weist der Gesellschaftsvertrag vom 01.06.1972 den Betrieb einer Binnenschiffsreederei und die Beteiligung an Unternehmen aus, die sich mit dem Bau und Betrieb von Binnenschiffen, der Befrachtung und Bereederung von Binnenschiffen und aller damit zusammenhängender Geschäfte befassen.
Der Kommanditanteil ging mit Wirkung vom 20.06.1972 im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die am 01.09.1969 gegründete Muttergesellschaft G & Co. (später firmierend als H & Co., I & Co. und zuletzt umbenannt in J KG) über, die bis heute unverändert mit der Kommanditeinlage von 76.000 DM im Handelsregister eingetragen ist. Ausweislich der Handelsbilanzen erhöhte sich jedoch das Kommanditkapital der Klägerin kontinuierlich bis 31.12.1977 auf 5.890.700 DM. Tatsächlich geleistet wurden Einlagen in Höhe von 5.691.950 DM. Bei Einbeziehung der ausgetretenen und der neu hinzugekommenen Gesellschafter waren an der Klägerin in den Streitjahren 92 Kapitalanleger beteiligt, hiervon 17 ehemalige Gesellschafter von G & Co. A bediente sich zur Anwerbung der Kapitalanleger auch gewerblicher Vermittler (Dr. K, L und Tr...