Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung. Zurechnung von Schweizer Nummernkonto
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine tatsächliche Verständigung kann nur eine Bindungswirkung hinsichtlich der einvernehmlichen Annahme eines maßgeblichen Besteuerungssachverhalts herbeiführen. Über die zukünftige Rechtsanwendung ist eine bindende Verständigung nicht möglich.
2. Die Mitteilung der Bank, dass keine Konten oder Depots auf den Namen des Steuerpflichtigen bestehen, ist bei einem Nummernkonto wenig aussagekräftig.
Normenkette
EStG § 20; AO § 162 Abs. 2; BGB §§ 1937, 1942 Abs. 1, § 1922 Abs. 1, § 2258
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Der 67 Jahre alte Kläger (Kl) ist kaufmännischer Angestellter und erhielt im Streitjahr, neben Einkünften aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung Lohnersatzleistungen. Zum 2. Juni 2004 hatte sich der Kl mit seiner Ehefrau mit Wohnsitz in die Schweiz, nach X, abgemeldet.
Am 9. Juli 2003 hatte das Hauptzollamt Y / Zollamt Z den Kl gemeinsam mit seiner Ehefrau bei der Ausreise aus der Schweiz kommend einer Bargeldkontrolle nach dem Zollverwaltungsgesetz unterzogen. Die Zollbediensteten fanden bei dieser Kontrolle eine Aktenmappe mit anonymisierten Depotunterlagen für die Depots xxxx.01, xxxx.02 und xxxx.03 bei der A-Bank. Für den Inhaber des Depots tragen alle drei Depots die Nummer 11111. Die Stammnummer und das Abwicklungskonto (Kontokorrent) sind mit der Nummer xxxx bezeichnet. Die Unterlagen wiesen für die Depots folgende Wertstellungen zum 8. Juli 2003 aus:
xxxx.01: |
1.071.256,64 EUR |
xxxx.02: |
-617.458,70 EUR |
xxxx.03: |
250.186,91 EUR. |
Bei dem Depot xxxx.02 handelt es sich um eine Yen-Anleihe.
Der Kl und seine Ehefrau machten gegenüber den Zollbeamten keine Angaben über die aufgefundenen Depotunterlagen.
Aufgrund einer Mitteilung des Zollamts Z über die Kontrolle nahm die Steuerfahndungsstelle L am 10. Juli 2003 Ermittlungen auf und leitete ein Steuerstrafverfahren gegen den Kl und seine Ehefrau ein. Nachdem eine von der damaligen Bevollmächtigten des Kl angekündigte Selbstanzeige des (wahren) Depotinhabers vom Beklagten (Bekl) nicht festgestellt werden konnte, durchsuchte die Steuerfahndungsstelle am 3. Februar 2004 die Wohn-, Geschäfts- und sonstigen Räume des Kl und seiner Ehefrau.
Der Bekl ordnete am 13. Februar 2004 den dinglichen Arrest in das Vermögen des Kl wegen nicht beglichener Einkommensteuer-(ESt)- und Solidaritätszuschlagsbeträge für die Jahre 1993 bis 2002 in Höhe von 106.546,66 EUR an. Im Rahmen einer dagegen vom Kl erhobenen Anfechtungsklage beim Finanzgericht Baden-Württemberg (Az.: 8 K 154/04) trug der Kläger vor, er plane nicht, seinen Lebensmittelpunkt in die Schweiz zu verlegen. Die von der Steuerfahndung aufgefundenen Unterlagen hinsichtlich des Interesses an einem Immobilienerwerb in der Schweiz beträfen lediglich eine Ferienimmobilie. In einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 25. Oktober 2004 regte der Berichterstatter folgende Verfahrensweise an:
- „Der Beklagte möge die Bescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 auf der Grundlage der Anordnung des dinglichen Arrests vom 13. Februar 2004 ändern, sobald der Kläger (oder seine Ehefrau) den dort ausgewiesenen Betrag von insgesamt 106.546,66 EUR bezahlt hat.
- Der Kläger und seine Ehefrau mögen hiermit darauf verzichten, gegen die vorbezeichneten geänderten Bescheide Einspruch einzulegen.
- Der Beklagte möge zusichern, dass hinsichtlich des Klägers und seiner Ehefrau auf der Grundlage des Sachverhalts, der der Anordnung des dinglichen Arrests vom 13. Februar 2004 zugrunde gelegt wurde, keine weiteren steuerlichen Folgen mehr gezogen werden.
- Außerdem möge der Beklagte zusichern, die Anordnung des dinglichen Arrests vom 13. Februar 2004 in dem Zeitpunkt aufzuheben, zu dem die geänderten Bescheide wie vorstehend bezeichnet, erteilt werden.
- Der Beklagte möge außerdem zusichern, bis zu dem soeben zu 4. genannten Zeitpunkt keine weiteren Maßnahmen aus den Sicherheiten zu treffen, die er auf Grund der Anordnung des dinglichen Arrests vom 13. Februar 2004 erlangt hat.”
Die Beteiligten gaben hierauf zu Protokoll, entsprechend verfahren zu wollen, und erklärten übereinstimmend den Rechtsstreit als in der Hauptsache für erledigt.
Gegenüber der Steuerfahndung erklärte der Kl, dass die Depotunterlagen einem Verwandten gehörten und berief sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht. Später konkretisierte er seine Angaben dahingehend, dass Kontoinhaberin seine am 9. März 2002 verstorbene Mutter, Frau W, gewesen sei.
Der Kl war das einzige Kind seiner Mutter. Nach ihrem notariellen Testament vom 20. Juni 1994 hatte sie die Ehefrau des Kl, Frau Q, ersatzweise deren Tochter als Alleinerbin eingesetzt. Gleichzeitig hatte sie den Kl als Testamentsvollstrecker und Nacherben bestimmt und ihm im Wege des Vermächtnisses ...