rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Völkerrechtliche Zulässigkeit der Festsetzung von Zwangsgeldern und Verspätungszuschlägen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Festsetzung von Zwangsgeldern und Verspätungszuschlägen gegenüber Personen und Körperschaften, die im Ausland ansässig sind, verstößt nicht gegen das Völkerrecht.
2. Der Territorialitätsgrundsatz räumt keine Individualrechte ein, auf die sich der Steuerpflichtige berufen kann.
Normenkette
AO § 328 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, §§ 329, 333, 150 Abs. 1, § 152 Abs. 1 S. 1, § 123 S. 1, § 122 Abs. 1 S. 3, § 80 Abs. 3 S. 1, § 5; FGO § 105 Abs. 5; GG Art. 25 S. 1; UStG § 18 Abs. 3 S. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob Zwangsgelder und Verspätungszuschläge von deutschen Finanzbehörden in völkerrechtlich zulässiger Weise auch gegen Rechtsträger festgesetzt werden können, die ihren Sitz nicht innerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland haben.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die im Jahre 2005 nach österreichischem Recht errichtet worden ist und deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich seither in der auf dem Staatsgebiet der Republik Österreich gelegenen Stadt X befinden. Die Klägerin war bis zum Streitjahr (2007) Gesellschafterin der … GmbH (Y GmbH), einer nach deutschem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Z (Deutschland). Die Y GmbH erbrachte ihrerseits bis in das Streitjahr hinein Lieferungen und sonstige Leistungen an Dritte, die – zwischen den Beteiligten unstreitig – in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig waren und daher der deutschen Umsatzsteuer unterlagen. Im Laufe des Streitjahrs wurde die Y GmbH nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (UmwG) im Wege der Aufnahme durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf die Klägerin verschmolzen. Die Verschmelzung erfolgte in handelsrechtlicher Hinsicht rückwirkend auf den 1. Januar 2007 und wurde am 16. Oktober 2007 in das am bisherigen Sitz der Y GmbH geführte Handelsregister eingetragen. In der Folgezeit unterhielt die Klägerin als übernehmender Rechtsträger auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland keinerlei feste Geschäftseinrichtung mehr. Auch eigene steuerpflichtige Umsätze führte die Klägerin im Anschluss an die Aufnahme der Y GmbH in Deutschland nicht (mehr) aus.
Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten, eines seinerzeit in H und später in P (jeweils Deutschland) ansässigen Rechtsanwalts, ließ die Klägerin in ihrer Eigenschaft „als Rechtsnachfolgerin” der Y GmbH das beklagte Finanzamt, das bislang für die Besteuerung der Y GmbH zuständig gewesen war (den Beklagten), am 23. Januar 2008 wissen, dass der jetzige Prozessbevollmächtigte für sie zum Empfangsbevollmächtigten i. S. des § 123 der Abgabenordnung (AO) bestellt sei. Für sie bestimmte Schriftstücke könnten daher an die Anschrift des Prozessbevollmächtigten gesandt werden.
Später forderte der Beklagte die Klägerin mehrfach zur Einreichung einer Umsatzsteuererklärung für die im Streitjahr durch die Y GmbH noch getätigten Umsätze auf. Als die Klägerin dem nicht nachkam, setzte der Beklagte – nach vorheriger Androhung – mit Bescheid vom 20. März 2009 gegen die Klägerin ein Zwangsgeld wegen Nichtabgabe der Steuererklärung in Höhe von 340 EUR fest. Diesen Bescheid gab der Beklagte der Klägerin unter der Anschrift ihres Prozessbevollmächtigten bekannt. Hiergegen legte die Klägerin – vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten – am 9. April 2009 Einspruch ein, den sie damit begründete, dass sich die Festsetzung an einen ausländischen Rechtsträger wende, der nach den Verhältnissen bei Erlass des Verwaltungsakts keinerlei Inlandsbezug (mehr) aufweise, und dass das deutsche Steuerrecht als öffentliches Recht nach dem Territorialitätsgrundsatz in seiner Durchsetzbarkeit an der deutschen Staatsgrenze ende. Ergänzend ließ die Klägerin vortragen, dass mit der Zwangsgeldfestsetzung unzulässigerweise deutsche hoheitliche Gewalt im Ausland ausgeübt werde, was etwa mit dem Fall vergleichbar sei, dass ein deutscher Polizist in Österreich den dortigen Straßenverkehr regeln wolle, nur weil dort möglicherweise auch aus Deutschland kommende Kraftfahrzeuge unterwegs seien.
Da die Klägerin auch in der Folgezeit keine Umsatzsteuererklärung einreichte, schätzte der Beklagte die Umsätze, die innergemeinschaftlichen Erwerbe, die Werklieferungen an den Leistungsempfänger als Steuerschuldner und die abziehbaren Vorsteuer- und Kürzungsbeträge betreffend die Y GmbH für das Streitjahr und setzte die sich daraus ergebende Umsatzsteuer mit Bescheid vom 23. Juli 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 19.500,77 EUR und die Nachzahlungszinsen auf 36 EUR fest. Daneben setzte der Beklagte im gleichen Bescheid wegen Nichtabgabe der Steuererklärung einen Verspätungszuschlag von 680 EUR fest, bei dessen Höhe er auch die Nachzahlungszinsen berücksichtigte. Auch diesen Bescheid gab d...