Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Überlassung von Waren im Rahmen der Einfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft wegen der Verletzung von Geschmacksmustern. Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat sich die mit der Klage ursprünglich angefochtene Aussetzung der Überlassung während des Gerichtsverfahrens durch die Freigabe der Waren erledigt, besteht das für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse, wenn der Kläger auch weiterhin Waren aus China einführen möchte, bei denen die Gefahr einer Aussetzung der Überlassung wegen möglicher Rechtsschutzverletzung besteht.

2. Zollbehörden haben im Verfahren nach der Verordnung Nr. 1383/2003 nicht mehr zu prüfen, ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt, da die Entscheidung über das Vorliegen einer Verletzung von Rechten geistigen Eigentums ausschließlich den Gerichten vorbehalten ist.

3. Die Zollstelle prüft lediglich die Voraussetzungen für die Aussetzung der Überlassung nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003. Hierbei ist der Verdacht der Verletzung eines Rechts geistigen Eigentums ausreichend.

4. Das HZA ist berechtigt, die Aussetzung der Überlassung über die in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1383/2003 normierte Frist hinaus aufrechtzuerhalten, wenn es über die Anhängigkeit eines Klageverfahrens wegen Geschmacksmusterverletzung informiert wird. Der Nachweis der Rechtshängigkeit der Klage ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

EGV 1383/2003 Art. 10; EGV 1383/2003 Art. 9 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 4; GKG § 12

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.02.2013; Aktenzeichen VII R 23/12)

BFH (Urteil vom 05.02.2013; Aktenzeichen VII R 23/12)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten – nunmehr im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage – über die Rechtmäßigkeit der Dauer einer Aussetzung der Überlassung von Waren im Rahmen der Einfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft.

Die Klägerin ist ein mittelständisches Familienunternehmen, das Bekleidungsstücke – u.a. Schuhe – und Spielwaren vertreibt. Am 13. Mai 2008 führte sie über das Zollamt X xxx Paar „Sandalen aus Kunststoff für Kinder” aus der Volksrepublik China in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft ein und meldete diese zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Im Rahmen einer beim Zollamt Flughafen des beklagten Hauptzollamts (HZA) durchgeführten Beschau hielten die kontrollierenden Beamten die Verletzung eines Geschmacksmusters in Bezug auf Schuhe der Firma B Inc., xxx, xxx, xxx (im folgenden Antragstellerin) für möglich. Das beklagte HZA setzte daher die Überlassung der Waren mit Bescheid vom 14. Mai 2008 nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (ABl. der EU Nr. L 196 vom 2. August 2003 S. 7, im Folgenden Verordnung Nr. 1383/2003) aus und unterrichtete unverzüglich sowohl den Rechtsvertreter der Antragstellerin als auch die Klägerin über die Aussetzung der Überlassung. Die Antragstellerin, die diese Mitteilung ausweislich ihrer Empfangsbestätigung am 14. Mai 2008 erhalten hatte, beantragte mit Schriftsatz vom 29. Mai 2008 Verlängerung der für die Aussetzung der Überlassung bestehenden Frist bis zum 3. Juni 2008, die das Zollamt Flughafen mit E-Mail vom gleichen Tag genehmigte.

Mit Telefax vom 30. Mai 2008 ließ die Antragstellerin beim Landgericht X Klage wegen Geschmacksmusterverletzung erheben. Die Klage wurde beim Landgericht unter dem Aktenzeichen xxx registriert, jedoch zunächst nicht an den Klagegegner zugestellt, da der Gerichtskostenvorschuss noch nicht erbracht worden war. Mit beim Zollamt X am 31. Mai 2008 eingegangenem Schreiben informierte die Antragstellerin das Zollamt über die Klageerhebung und machte dies durch Vorlage einer schriftstückbezogenen Fax-Sendebestätigung glaubhaft. Mit E-Mail vom 24. Juni 2008 übersandte die Antragstellerin einen von ihr als „Nachweis über den geleisteten Gerichtskostenvorschuss” bezeichneten Beleg (Bl. 195 der Verwaltungsakten), auf den wegen der Einzelheiten seines Inhalts verwiesen wird. Einem handschriftlichen Vermerk der zuständigen Sachbearbeiterin des HZA vom 24. Juni 2008 zufolge erkundigte sich diese am selben Tag beim Landgericht X, ob der Gerichtskostenvorschuss inzwischen eingegangen sei, was dieses verneinte. Eventuell befinde sich der Betrag noch bei der zentralen Gerichtskasse (Bl. 185 der Verwaltungsakten). Mit Datum vom 30. Juni 2008 wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass eine Zustellung der Klage nach wie vor nicht erfolgt sei. Erst mit E-Mail vom 3. Juli 2008 teilte der beim Landgericht X zuständige Richter dem HZA mit, dass am gleichen Tag ...

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