Entscheidungsstichwort (Thema)
Auftragsprüfung. Zuständigkeit für den Erlass einer Prüfungsanordnung. Überprüfung der Ermessensentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird eine Finanzbehörde von einer anderen Finanzbehörde mit der Durchführung einer Außenprüfung beauftragt, kann der Prüfungsauftrag entweder von der beauftragten Stelle selbst dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben werden oder rein innerdienstlich gegenüber der beauftragten Behörde erteilt werden.
2. Mit der Beauftragung erlangt das beauftragte FA die Befugnis zum Erlass der Prüfungsanordnung, wenn sich das den Auftrag erteilende FA diese Befugnis nicht vorbehalten und die Anordnung selbst erlassen hat.
3. Ob und in welchem Umfang eine Außenprüfung durchzuführen ist, ist von dem den Auftrag erteilenden FA festzulegen. Das beauftragte FA ist an den Auftrag gebunden, aus dem sich der zu prüfende Steuerpflichtige und der Umfang der Prüfung der Zeit und der Sache nach ergeben muss.
4. In dem innerdienstlichen Auftrag, durch den die Beauftragung nach außen wirksam wird, muss der Prüfungsauftrag genau angegeben werden.
5. Welche Maßnahmen zur Erledigung des Auftrags ergriffen werden, liegt in der Entscheidung des beauftragten FA.
6. Die Beauftragung einer anderen Finanzbehörde mit der Durchführung der Außenprüfung ist eine Ermessenentscheidung, die vom Gericht nur dahingehend geprüft werden kann, ob das auftraggebende FA bei der Entscheidung über die Auftragserteilung die Vorgaben des § 5 AO eingehalten hat.
7. Wurde das beauftragte Finanzamt auch zum Erlass der Prüfungsanordnung befugt, kann es dem Steuerpflichtigen die im Rahmen der Prüfungsbeauftragung angestellten Ermessenserwägungen mitteilen und diese ergänzen.
8. Eine Prüfungsanordnung ist rechtswidrig, wenn sie keine ausreichenden Ausführungen dazu enthält, welche konkrete unternehmerische Betätigung des Steuerpflichtigen den Grund für die Erteilung des Prüfungsauftrags bildet und aus welchem Grund diese unternehmerische Betätigung die Erteilung eines Prüfungsauftrags als sachgerecht erscheinen lässt.
Normenkette
AO §§ 195, 5, 126; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
1) Die Prüfungsanordnung des Beklagten vom 1. Dezember 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 3. August 2010 werden aufgehoben.
2) Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3) Das Urteil ist wegen der dem Kläger zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags vorläufig vollstreckbar.
4) Die Revision wird zugelassen.
5) Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Prüfungsanordnung (PA) des Beklagten (Bekl) vom 1. Dezember 2009 rechtmäßig ist.
Mit Urteil vom … hob das Finanzgericht Baden-Württemberg die PA des Bekl vom 11. Dezember 2006, die sich gegen den Kläger (Kl) und seine Ehefrau, Frau C.X., richtete und die Einkommensteuer (ESt) einschließlich gesonderter Feststellungen, die Gewerbesteuer (GewSt) und die Umsatzsteuer (USt) – jeweils für die Jahre 2001 bis 2004 – zum Gegenstand hatte, mangels örtlicher Zuständigkeit des Bekl auf. Die vom Bekl gegen das finanzgerichtliche Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom … als unbegründet zurückgewiesen.
Bereits mit Schreiben vom 10. November 2009 hatte sich der Bekl an das Finanzamt B – das Wohnsitzfinanzamt des Kl – gewandt und ausgeführt, „Bei dem Konzern A.X. GmbH & Co. KG, in Q, Konzernnummer: 99…” werde derzeit eine Betriebsprüfung durchgeführt (Beginn der Prüfung: Dezember 2006; Prüfungszeitraum: 2001 – 2004). (…). Zum Konzernbereich gehöre nachstehendes Unternehmen:
Eheleute A. und C.X., in F.
Unter Hinweis auf die §§ 13 ff der Betriebsprüfungsordnung (BpO) sei es zweckmäßig, dieses Unternehmen von Q aus zu prüfen, weil
- sich die Buchführung hier befinde und
- sich die Auskunftspersonen hier befänden.
Der Bekl bat daher um Übertragung der Befugnis zum Erlass der PA. Der Prüfungsauftrag solle – so der Bekl – insbesondere die ESt und die USt umfassen und jeweils gesondert für den Kl (StNr. …) und Frau C.X. (StNr. …) erfolgen. Bislang liege beim Bekl eine Beauftragung durch das nicht zuständige Betriebsprüfungs-Finanzamt D vom 30. März 2009 vor. Da es sich um einen Fall der „AP-B” handle, müsse vom Finanzamt B auch der Auftrag erteilt werden. Aufgrund drohender Verjährung des Prüfungszeitraums 2002 werde um baldmöglichste Antwort gebeten.
Mit Schrei...