Entscheidungsstichwort (Thema)
Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten als Zollschuldner im Versandverfahren. Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung. Eingangsabgaben
Leitsatz (redaktionell)
1. Werden im Versandverfahren befindliche Waren bei einer Person abgeladen, die nicht zugelassener Empfänger ist, liegt regelmäßig ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung vor, das zum Entstehen der Zollschuld führt.
2. Der Hauptverpflichtete hat als Inhaber des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens die Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist unter Beachtung der von den Zollbehörden zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen unverändert der Bestimmungsstelle zu gestehen.
3. Die Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten ist aufgrund seiner besonderen Garantenstellung im Versandverfahren unabhängig von der Feststellung weiterer Zollschuldner nicht zu beanstanden. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der Reihenfolge der in Art. 203 Abs. 3 ZK als mögliche Zollschuldner aufgelisteten Personen, denn in Art. 96 ZK ist die Reihenfolge und Gewichtung der Verpflichteten anders geregelt.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 203 Abs. 1, 3, Art. 96 Abs. 1; ZK Art. 203 Abs. 1, 3, Art. 96 Abs. 1
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten in einem Versandverfahren.
Auf Antrag der Klägerin, einer internationalen Speditionsgesellschaft mit beschränkter Haftung, wurden mit Versandschein T1 vom 3. November 1999 beim österreichischen Zollamt (ZA) drei Packstücke Möbel aus Kroatien zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigt. Als Empfänger war die KG in U angegeben. Zur Nämlichkeitssicherung wurden zwei österreichische Zollplomben angelegt, deren Verbleib unklar ist. Als Frist zur Wiedergestellung wurde der 10. November 1999 festgesetzt. Warenführer war nach den Eintragungen der Klägerin im Versandschein (Fahrer des Lkws).
Das Versandverfahren wurde nicht ordnungsgemäß beendet; vielmehr wurde das Versandgut versehentlich unverzollt bei der Warenempfängerin angeliefert und entladen. Dies teilte die Warenempfängerin mit Schreiben vom 27. März 2000 dem beklagten Hauptzollamt (HZA) mit, gab an, eigentlich habe die Spedition B die Verzollung vor der Auslieferung durchführen sollen, und bat um die Berechnung der Einfuhrumsatzsteuer. Dem Schreiben war das Original der Handelsrechnung und eine Kopie des CMR-Frachtbriefs – als Warenverkehrsbescheinigung bezeichnet – beigefügt. Den Versandschein legte sie nicht vor.
Daraufhin nahm das beklagte HZA die Klägerin als Hauptverpflichtete mit Steuerbescheid vom 16. Mai 2000 als Zollschuldnerin in Anspruch. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das beklagte HZA mit Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2000 als unbegründet zurück. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Sie macht im Wesentlichen geltend, sie habe als Hauptverpflichtete in dem gemeinschaftlichen Versandverfahren Vorsorge getroffen, dass eine ordnungsgemäße Wiedergestellung erfolge. Sie habe den Lkw-Fahrer über die Eigenschaft als Zollgut belehrt, auf die Pflicht zur ordnungsgemäßen Gestellung hingewiesen und sich auf einer entsprechenden Verpflichtungserklärung die Kenntnisnahme durch Unterschrift bestätigen lassen. Ergänzend habe die Klägerin auf dem CMR-Frachtbrief mit dem Stempel „Achtung – Zollgut” vermerkt, dass es sich bei dieser Sendung um Zollgut handele. Der Zusatz in ihrem Stempel, „darf nur durch Vermittlung einer Zollstelle ausgeliefert werden”, könne entgegen der Behauptung des HZA nicht so ausgelegt werden, dass bereits eine Zollbehandlung erfolgt sei. Im Übrigen sei die Anbringung dieses Stempels im Zollkodex gar nicht gefordert. Falls der Zollgutstempel bei der Warenempfängerin zu Zweifeln über die Zollguteigenschaft der Ware geführt haben sollte, was bei einem Vollkaufmann zu bezweifeln sei, hätte sich diese vor Entgegennahme der Ware durch Rückfrage vergewissern müssen. Dieses Versäumnis könne nicht zu Lasten des Hauptverpflichteten gehen.
Die Empfängerin der Ware habe nach Sachlage Kenntnis von der Zollguteigenschaft der Sendung gehabt, sei als Käuferin und Besitzerin der Ware für die Nichtgestellung verantwortlich und somit zuerst als Abgabenschuldner heranzuziehen. Die Warenempfängerin, die Firma KG, U, habe das HZA gebeten, ihr die Einfuhrumsatzsteuer zu berechnen, und sei somit zahlungswillig gewesen. Sie allein sei – im Gegensatz zum Spediteur als Hauptverpflichtetem – zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Zur Bekräftigung ihrer Argumentation legt die Klägerin einen Steuerbescheid des HZA B aus dem Jahr 2000 vor, in dem der Warenempfänger zuerst zur Zahlung aufgefordert wurde und nicht der Hauptverpflichtete.
Die Klägerin beantragt,
den Steuerbescheid des HZA vom 16. Mai 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2000 aufzuheben, und das HZA zu verpflichten, einen entsprechenden Steuerbescheid gegen die KG als Warenempfä...